Fragestellungen der Studie:
Rezension zur Studie
Tillmann, A. & Bremer, C. (2018). Einsatz von Tablets in Grundschulen. Umsetzung und Ergebnisse des Projektes Mobiles Lernen in Hessen (MOLE). In J. Bastian & S. Aufenanger (Hrsg.), Tablets in Schule und Unterricht. Forschungsmethoden und -perspektiven zum Einsatz digitaler Medien (S. 241–276). Wiesbaden: Springer VS.Der Einsatz von Tablet-PCs an den Schulen wird von vielfältigen Erwartungen begleitet, u. a. wird vermutet, dass sich das Arbeiten mit Tablets günstig auf die Motivation von Schülerinnen und Schülern auswirkt. Doch unter welchen Bedingungen trifft dies zu?
Tillmann und Bremer untersuchen, wie sich verschiedene Szenarien im Tablet-Unterricht auf die intrinsische Motivation von Schülerinnen und Schülern auswirken, wobei sie Annahmen der Selbstbestimmungstheorie von Deci und Ryan aufgreifen. Daneben beleuchten sie Vorerfahrungen und Gewohnheiten der Mediennutzung sowie Einstellungen der Kinder zur Tablet-Nutzung im Unterricht. Zudem werden Erwartungen und Bewertungen von Eltern und Lehrkräften zum Tablet-Unterricht berichtet.
Die Auswertungen basieren auf Fragebogenangaben von 108 hessischen Grundschülerinnen und Grundschülern, von denen 60–70 zusätzlich im Verlauf von 18 Monaten achtmal z. T. via App befragt wurden. Daneben wurden Daten von Eltern und Lehrkräften mittels Fragebögen und in Projektbesprechungen erhoben.
Die Kinder verfügen über Vorerfahrungen mit PC/Laptop/iPad® v. a. durch digitales Spielen. Der Umgang mit den Tablets fällt ihnen leicht und sie nehmen einen großen Lernzuwachs beim Arbeiten mit den Tablets wahr. Der Wunsch, im Unterricht weiterhin mit den Tablets zu arbeiten, bleibt konstant hoch, wobei die Kinder tendenziell stärker intrinsisch motiviert sind in Lernsettings mit einem höheren Grad an Autonomie und Selbstständigkeit im Umgang mit den Tablets, weshalb eine anfänglich inhaltsorientierte Vermittlung – etwa zur Nutzung von Medien(-inhalten) und Programmen – im weiteren Verlauf durch prozess- und gestaltungsorientierte Einsatzszenarien ersetzt werden sollte. Die Ansichten von Eltern und Lehrkräften differieren zum Teil, was dafür spricht, den Eltern Methoden und Ziele des schulischen Tablet-Einsatzes transparent zu machen.
Der Beitrag hat seine Stärken in der gebündelten Darstellung von Forschungsbefunden zum Tablet-Unterricht und den Hinweisen zu geeigneten Unterrichtsszenarien. Zu kritisieren sind u. a. die intransparente Beschreibung des Forschungsdesigns und die nicht theoriekonforme Operationalisierung von intrinsischer Motivation. Daher bleiben die Ergebnisse und Schlussfolgerungen trotz augenscheinlicher Plausibilität fragwürdig im Hinblick auf ihre Erzeugung, Reproduzierbarkeit und letztlich Aussagekraft.
Nachfolgende Reflexionsfragen sind ein Angebot, die Befunde der rezensierten Studie auf das eigene Handeln als Lehrkraft oder Schulleitungsmitglied zu beziehen und zu überlegen, inwiefern sich Anregungen für die eigene Handlungspraxis ergeben. Die Befunde der rezensierten Studien sind nicht immer generalisierbar, was z. B. in einer begrenzten Stichprobe begründet ist. Aber auch in diesen Fällen können die Ergebnisse interessante Hinweise liefern, um über die eigene pädagogische und schulentwicklerische Praxis zu reflektieren.
Reflexionsfragen für Lehrkräfte:
Reflexionsfragen für Schulleitungen:
Die voranschreitende Digitalisierung prägt immer mehr Lebens- und Arbeitsbereiche. Daran gekoppelt ist die anspruchsvolle Anforderung, den gesamtgesellschaftlichen Ausbau der Medienkompetenz systematisch und produktiv zu gestalten. In diesem Zusammenhang erkennen Tillmann und Bremer eine Aufgabe von Schule darin, Schülerinnen und Schüler auf das Leben in einer zunehmend digital vernetzten Welt vorzubereiten. Zur Vermittlung entsprechender Kompetenzen werden an den Schulen seit einigen Jahren vermehrt Tablets eingesetzt.
Das Autorenduo berichtet in seinem Beitrag über Erkenntnisse aus der Begleitforschung zu einem Pilotprojekt, in dessen Rahmen der Einsatz von Tablets an sechs Grundschulen untersucht wurde. Im Schuljahr 2013/14 startete das Bundesland Hessen das auf drei Jahre angelegte Projekt MOLE – Mobiles Lernen in Hessen.
Wesentliche Merkmale von MOLE waren:
Wesentliche Fragestellungen der Begleitforschungen, die in dem rezensierten Artikel aufgeworfen und beantwortet werden, sind:
Zentrales Konzept für die im MOLE-Projekt realisierte Tablet-Nutzung im Unterricht ist „Ownership“, das sich neben der Verfügbarkeit von Tablets zusätzlich auf die Gestaltung des Lern- und Arbeitsprozesses bezieht. Demzufolge entscheiden die Schülerinnen und Schüler eigenständig, wie sie eine Aufgabenstellung lösen wollen. Es liegt also in der Verantwortung der Lernenden, ob eine Aufgabe mittels Tablets bearbeitet wird. Sollte dies der Fall sein, bestimmen nicht Lehrkräfte, sondern die Schülerinnen und Schüler individuell, welche App zum Einsatz kommt.
Tillmann und Bremer sehen darin eine wesentliche Bedingung zur Förderung der Motivation von Schülerinnen und Schülern, denn gemäß einem moderat-konstruktivistischen Lernparadigma stelle die individuell gesteuerte und selbstbestimmte Beschäftigung mit einem Lerngegenstand eine grundlegende Bedingung erfolgreichen Lernens dar. Folglich wird der Tablet-Einsatz als eine potenziell förderliche Bedingung für die Etablierung intrinsischer Motivation angenommen – all dies erfolgt vor dem theoretischen Hintergrund der Selbstbestimmungstheorie der Motivation (vgl. Deci & Ryan, 2000, 2002).
Tillmann und Bremer referieren zu diesem Ansatz, dass intrinsische Motivation im Gefühl von eigener Wirksamkeit und erlebter Urheberschaft befriedigt werde und in der Freude am aktiven Hervorbringen von Wirkungen bestehe. Für das Auftreten von intrinsischer Motivation sind demnach die Bedürfnisse nach Selbstbestimmung (Autonomie) und nach Kompetenzerleben relevant. Intrinsisches Lernen führe zu konzeptionellem Lernen und tiefgreifenden Verarbeitungsprozessen.
Da das Untersuchungsdesign in der Darstellung nicht vollumfänglich transparent wird, worauf in dieser Rezension weiter unten kritisch einzugehen ist, muss die Beschreibung des Designs teilweise im Ungefähren bleiben. Sicher ist, dass die Befragungen der empirischen Untersuchungen vier Ebenen betrafen:
Das Gros der Daten wurde über eher kurze Reflective Notes im Abstand von je sechs bis acht Wochen u. a. online über eine speziell für das MOLE-Projekt entwickelte Befragungs-App erhoben. Die Befragungen fanden im Interesse einer Vergleichbarkeit in allen Schulen parallel in einem Zeitfenster von maximal 14 Tagen statt. Neben Skalenabfragen enthielt die Online-Befragung auch freie Antwortformate. Die Freitextantworten konnten entweder über die digitale Tastatur des Tablets eingegeben oder über das im iPad® integrierte Mikrofon aufgenommen werden, was insbesondere für die Grundschülerinnen und -schüler hilfreich war. Die eingesprochenen Audiodateien wurden anschließend transkribiert und inhaltsanalytisch ausgewertet.
Erfragt wurden bei den vier Personengruppen Einschätzungen zum Tablet-Einsatz im Unterricht, zu Einstellungen, zur Motivation und zu Gefallensurteilen hinsichtlich der Nutzung von Tablets als Lernwerkzeug. Zwischen den Lehrkräften der teilnehmenden sechs Grundschulen gab es zusätzlich regelmäßige Treffen, in denen die gewonnenen Eindrücke und Erfahrungen im Tablet-Unterricht ausgetauscht und reflektiert wurden. Diese Informationen flossen in das Design späterer Befragungen ein. Gegen Projektende ergänzten Unterrichtsbesuche (inklusive Videografie) die Online-Befragungen.
Ein wesentliches Untersuchungsinteresse der Begleitforschung zu MOLE galt der intrinsischen Motivation nach der Selbstbestimmungstheorie von Deci und Ryan (2000, 2002). Das Forscherteam nutzte eine Kurzskala intrinsischer Motivation im Grundschulalter (KIMoG) als adaptierte Version der KIM nach Krombaß und Harms (2006). Erfasst werden vier Subskalen:
Jeder Subskala sind drei Items zugeordnet, die jeweils auf einer fünfstufigen Likert-Skala (von „stimmt gar nicht“ bis „stimmt völlig“) zu beantworten sind. Der an die Sprache von Grundschulkindern angepasste Fragebogen zur intrinsischen Motivation wird mehrfach teststatistisch überprüft (siehe ausführlich hierzu die Darstellung der explorativen und konfirmatorischen Faktorenanalyse bei Tillmann und Bremer, 2018, 256 ff.).
Nähere Angaben zu Stichprobe, Erhebungsplan und Datenaufbereitung sind aufgrund des Textdesigns dem zu rezensierenden Beitrag nur schwerlich oder gar nicht zu entnehmen.
Welche Auswirkungen hat der Einsatz von Tablets in unterschiedlichen Unterrichtsszenarien auf die Entwicklung der tätigkeitsbezogenen, intrinsischen Motivation?
Die erste Erhebung bezüglich dieser Forschungsfrage umfasst 108 Schülerinnen und Schüler (53 % weiblich) mit einem Durchschnittsalter von 8,2 Jahren aus sechs Grundschulklassen. Reflective Notes aus dem späteren Verlauf der Längsschnittstudie verfassten 60 bis 70 Schülerinnen und Schüler. Auf Grundlage der erhobenen Daten lassen sich über den 18-monatigen Erhebungszeitraum sehr hohe motivationale Werte für das Lernen mit dem Tablet feststellen. Besonders hoch fällt die intrinsische Motivation der Schülerinnen und Schüler dann aus, wenn der durch das Lernsetting bestimmte Grad an Autonomie und Selbstständigkeit im Umgang mit dem Tablet ebenfalls besonders hoch ist, wie es der Ownership-Ansatz vorsieht. Die langfristig stabilen hohen Mittelwerte im Bereich der intrinsischen Motivation beim am Ownership-Konzept orientierten Tablet-Einsatz gehen einher mit hohen Werten auf den Skalen subjektives Kompetenzerleben und Vergnügen.
Andererseits hat ein gleichförmiger, mehrheitlich instruktiver und nur sporadischer Einsatz von Tablets zur Folge, dass Vergnügen und Interesse seitens der Schülerinnen und Schüler nachlassen. Kooperative Reflexionsprozesse zwischen MOLE-Lehrkräften über die Zusammenhänge von Wahlfreiheit, Offenheit, Motivation und Vergnügen führten im Projektverlauf zu Anpassungen in der Didaktisierung des Tablets für den Unterricht: Wo anfangs inhaltsorientierte Vermittlung den Tablet-Unterricht kennzeichneten, treten zunehmend mehr prozess- und gestaltungsorientierte Szenarien in Erscheinung, was sich auch in der durch die Schülerinnen und Schüler wahrgenommenen Zunahme an Wahlfreiheit in Lernprojekten und letztlich auch in ihrer intrinsischen Motivation niederschlägt.
Unabhängig von der gewährten Offenheit des Lernsettings, in dem sich der Tablet-Unterricht vollzieht, lassen anfänglicher Druck bzw. anfängliche Anspannung mit der Zeit bei den jungen Schülerinnen und Schülern nach. Dies ist darauf zurückzuführen, dass die intuitive Bedienung der Tablets schnell eine erhöhte Selbstwirksamkeit im Umgang mit dem Lerngerät bei den Schülerinnen und Schülern auslöst. Die anfängliche Sorge, etwas in der Handhabung mit dem Tablet falsch zu machen, weicht schnell dem Wunsch, eigenständige Lösungswege in der Aufgabenbearbeitung mit dem Tablet zu wählen.
Welche Einstellungen haben Schülerinnen und Schüler gegenüber der Tablet-Nutzung im Unterricht?
Nach Auswertung der Reflective Notes wird deutlich, dass die Schülerinnen und Schüler die Arbeit mit dem iPad® als leicht beurteilen, was sich auch mit den Erfahrungen der interviewten Grundschullehrkräfte deckt. Der sukzessive Ausbau von nutzbaren Lern-Apps und der stetig anwachsende Freiraum für selbstgesteuertes Lernen im Projektverlauf lässt einen systematischen Zusammenhang zwischen einer subjektiv empfundenen leichten Bedienbarkeit des Tablets und einem subjektiv wahrgenommenen Lernzuwachs erkennen. Mit anderen Worten: Schülerinnen und Schüler, welche die Arbeit mit dem Tablet als einfach empfinden und souverän den eigenen Lernprozess mit dem Tablet gestalten, verspüren zugleich einen größeren Lernzuwachs als jene Schülerinnen und Schüler, die mit der Handhabung des Tablets hadern.
Ein weiterer positiver Zusammenhang besteht zwischen intrinsischer Motivation und Lernzuwachs. So nehmen motivierte Schülerinnen und Schüler gegenüber ihren weniger motivierten Altersgenossen beim Lernen mit dem Tablet und dessen Anwendungen einen höheren subjektiven Lernzuwachs wahr. In umgekehrter Richtung besteht der Zusammenhang, dass Schülerinnen und Schüler, die einen größeren Lernzuwachs für sich reklamieren, in der Handhabung mit dem Tablet weniger Schwierigkeiten bekunden, sodass sie das iPad® als unterstützendes Medium ihres Lernprozesses betrachten und produktiv gebrauchen.
Mit konstant hohen Gefallenswerten beantworten die Schülerinnen und Schüler über den gesamten Projektzeitraum die Frage, ob sie gerne weiter mit dem iPad® arbeiten wollen. Ein nachlassender Wunsch, das Tablet zu nutzen, infolge eines nachlassenden Neuheitseffekts ist demnach für das Projekt MOLE nicht festzustellen. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass Schülerinnen und Schüler mit weniger medienkompetenten Eltern das iPad® zum Lernen besonders gern nutzen. Tillmann und Bremer vermuten diesbezüglich, „[…] dass diese Schülerinnen und Schüler ihren durch die Tablet-Nutzung erfahrenen Wissensvorsprung gegenüber ihren Eltern als motivierend erleben oder ihnen solche Geräte zu Hause nicht zugänglich sind und sie deren Nutzung daher umso mehr wertschätzen“ (S. 266).
Welche Vorerfahrungen und Nutzungsgewohnheiten haben die Schülerinnen und Schüler, bevor sie mit Tablets in der Grundschule lernen?
Die Auswertung der erhobenen Daten zu Vorerfahrung und Mediennutzung der teilnehmenden Grundschülerinnen und -schüler ergibt, dass 80 % vor dem Start von MOLE täglich fernsehen. 25 % der befragten Schülerinnen und Schülerspielen spielen täglich mit einer Spielkonsole. Die Daten belegen, dass die größte Medienerfahrung seitens der untersuchten Schülerinnen und Schüler aus digitalem Spielverhalten resultiert. Was die Nutzung von PCs oder Laptops vor Projektbeginn durch die befragten Schülerinnen und Schüler anbelangt, lassen sich keine Unterschiede zwischen den Geschlechtern feststellen. Dieser Befund deckt sich nicht mit den Ergebnissen einschlägiger Studien zum digitalen Nutzungsverhalten von Schülerinnen und Schülern.
Was sind Erwartungen und Bewertungen von Eltern und Lehrkräften im Hinblick auf den Einsatz von Tablets im Grundschulunterricht?
Eltern und Lehrkräfte messen bei einem systematischen Tablet-Einsatz in der Schule dem Kompetenzausbau in folgenden Bereichen ähnlich hohe Bedeutung zu: „Bedienen und Anwenden, Informieren und Recherchieren, Kommunizieren und Kooperieren, Produzieren und Präsentieren und Analysieren und Reflektieren“ (S. 268).
Unterschiede bestehen hinsichtlich der Frage, ob die Erziehung zum richtigen Umgang mit Medien in erster Linie eine exklusive Aufgabe der Eltern sei. Während Eltern diese Frage mehrheitlich bejahen, sehen Lehrkräfte hier auch die Schule in der Verantwortung. Dass Tablets zum Bearbeiten von Hausaufgaben eingesetzt werden dürfen, befürworten Lehrkräfte eher, während Eltern diesem Ansinnen eher ablehnend gegenüberstehen. Ein weiterer Unterschied betrifft die intendierten Lerninhalte beim Tablet-Unterricht. Eltern wünschen sich Aufklärung ihrer Kinder über Chancen und Risiken von Computerspielen. Lehrkräfte sind mehr an kollaborativen Unterrichtszenarien interessiert und an der Vermittlung von Präsentationstechniken.
Hintergrund
Die Längsschnittstudie von Tillmann und Bremer widmet sich dem Tablet-Einsatz an Grundschulen. Umfang und Dauer der Untersuchung übertreffen das Gros an empirischen Studien mit diesem Schwerpunkt im deutschsprachigen Raum. In ihrer Darstellung gelingt es dem Autorenduo, den gesamtgesellschaftlichen und schulischen Kontext von Digitalisierung aufzufächern und die Ziel- sowie Umsetzung des MOLE-Projekts effektiv darzustellen. Besonders aufschlussreich sind die Ausführungen zum Zusammenhang von Tablet-Unterricht einerseits und Unterrichtsqualität, Unterrichtsgestaltung, intrinsischer Motivation bzw. der Selbstbestimmungstheorie der Motivation andererseits. Insbesondere Rezipienten ohne tiefgreifendes Vorwissen erhalten im Theorieteil des Beitrags schnell basale Informationen zum Tablet-basierten Unterricht und dem aktuellen Forschungsstand.
Design
Die Aussagekraft der von Tillmann und Bremer vorgelegten Untersuchung ist eingeschränkt, u. a. da die Ausarbeitungen zur theoretischen Verortung, zum Untersuchungsdesign und zur Auswertung teilweise lückenhaft sind; so wird etwa eine nachvollziehbare, transparente Beschreibung des Designs nicht geliefert. Das Kapitel Untersuchungsdesign bspw. informiert weder über die Stichprobe(n) noch über den Erhebungsplan, sodass ein chronologischer Nachvollzug der einzelnen Befragungen bzw. eine Replizierbarkeit der Befunde nur in Ansätzen möglich ist.
Hinzu kommt, dass die Gesamtskala des Erhebungsinstruments, mit dem intrinsische Motivation gemessen wurde, eine Mischung aus Interesse/Vergnügen und relevanten Bedingungen für die Entstehung von intrinsischer Motivation erfasst (Autonomie-, Kompetenzerleben). Die Ausprägung des Gesamtskalenwerts ist somit kein theoriekonformes Maß für intrinsische Motivation, wenngleich er in diesem Sinne interpretiert wird.
Ein weiterer Kritikpunkt betrifft die Auswertungen zur Konstruktvalidität des Erhebungsinstruments. Wenn, wie im vorliegenden Fall, theoretische Annahmen über die Skalenstruktur existieren, ist die Durchführung einer explorativen Faktorenanalyse nicht angezeigt, sondern dann ist allein eine konfirmatorische Faktorenanalyse adäquat (wobei die geringe Stichprobengröße solche Analysen ohnehin fragwürdig erscheinen lässt). Jedoch fehlen auch an dieser Stelle konkrete Angaben, ob die angegebenen Güteindizes sich aus einer Modellierung auf Itemebene errechnen oder ob sie auf Grundlage einer Analyse mit Faktorwerten auf Konstruktebene zustande kamen.
Diese Mängel können Inhalte aus dem Abschnitt Untersuchungsergebnisse nicht aufwiegen. Zwar informiert das Autorenduo in seiner Auseinandersetzung mit der Entwicklung der tätigkeitsbezogenen, intrinsischen Motivation über die Anzahl der Schülerinnen und Schüler zum ersten Messzeitpunkt der Befragung (Anzahl, Durchschnittsalter, Geschlechterverhältnis). Wie sich diese Daten aber über die späteren Messzeitpunkte entwickeln, bleibt nebulös. Aufgrund solcher Unzulänglichkeiten kann auch ein wohlmeinender Rezipient die Aussagekraft der Ausführungen nur begrenzt einschätzen.
Ergebnisse
Die aufgeworfenen vier Forschungsfragen werden von Tillmann und Bremer beantwortet. Allerdings bewirkt die intransparente Darstellung des Untersuchungsdesigns, dass Rezipienten häufig die im Beitrag vorgenommenen Schlussfolgerungen eher glauben müssen anstatt sie im kritisch-prüfenden Modus nachvollziehen zu können.
Bemerkenswert sind besonders drei Befunde: Erstens ergibt der Prätest, dass zwischen Schülerinnen und Schülern im Nutzungsverhalten von PC/Laptops keine Geschlechtsunterschiede bestehen. Dieser Befund ist – wie das Autorenduo selbst bemerkt – äußerst ungewöhnlich und hätte daher eine ausführlichere Würdigung verdient, als es Tillmann und Bremer leisten (S. 267 f). Zweitens bleibt im MOLE-Projekt die häufig beim Tablet-Unterricht zu beobachtende Abnahme des Wunsches seitens der Schülerinnen und Schüler, auch zukünftig mit dem Tablet zu arbeiten, aus. Dies könnte – drittens – mit der konstant hohen intrinsischen Motivation im Umgang mit dem iPad® vor dem Hintergrund des Ownership-Ansatzes im MOLE-Projekt liegen.
Wünschenswert wäre, diese drei Aspekte genauer in Anschlussforschungen zu untersuchen. Verlässliche und nachvollziehbare Befunde in diesem Bereich wären für die weitere Entwicklung einer Didaktik des Tablet-Unterrichts von besonderem Interesse.
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