Fragestellungen der Studie:

  • Sehen Lehrkräfte hinsichtlich des Einsatzes von neuen Informationstechnologien im Unterricht eher Potenziale oder Risiken?
  • Besteht ein Zusammenhang zwischen Einstellungen, die Lehrkräfte zum Medieneinsatz im Unterricht haben, und dem Umfang, in dem sie computer- und informationsbezogene Kompetenzen fördern?

Rezension zur Studie

Lorenz, R. & Endberg, M. (2016). Zusammenhang zwischen medienbezogenen Lehrereinstellungen und der Förderung computer- und informationsbezogener Kompetenzen. In R. Strietholt, W. Bos, H.-G. Holtappels, N. McElvany (Hrsg.), Jahrbuch der Schulentwicklung 19 (S. 206–229). Weinheim: Juventa.FIS Bildung

Die Autorinnen untersuchen, ob zwischen den Einstellungen, die Lehrkräfte hinsichtlich der Potenziale und Risiken bezüglich des Einsatzes digitaler Medien im Unterricht haben, und dem Ausmaß der Förderung von computer- und informationsbezogenen Kompetenzen ein Zusammenhang besteht. Diese Fragestellung war bislang ungeklärt, trotz der durch die Digitalisierung zunehmenden Bedeutung des Einsatzes digitaler Medien im Unterricht und der darauf bezogenen pädagogischen Forschung.

Die Einstellungen von Lehrerinnen und Lehrern in der Mittelstufe zum Einsatz von digitalen Medien im Unterricht wurden mit Hilfe von strukturierten Interviews im Rahmen einer bundesweiten repräsentativen Befragung erhoben, wobei die Bewertung von fünf Potenzialen und vier Risiken dieses Unterrichts ermittelt wurde. Darüber hinaus wurde erfragt, in welchem Ausmaß dabei computer- und informationstechnische Arbeitsweisen auf fünf Kompetenzniveaus gefördert wurden.

Die Autorinnen weisen nach, dass die 1.250 befragten Lehrerinnen und Lehrer im Mittel die Potenziale des Unterrichts mithilfe des Einsatzes digitaler Medien höher bewerten als die damit verbundenen Risiken. Die Lehrkräfte fördern in ihrem Unterricht vor allem Kompetenzen der beiden höchsten Niveaus. Mittels Korrelations- und Regressionsanalysen wird ein empirischer Zusammenhang zwischen einer positiven Einstellung zum Unterricht mit digitalen Medien und einer Nutzung kompetenzfördernder Arbeitsweisen belegt.

In der erstmaligen empirischen Bearbeitung ihres Themas auf Grundlage von repräsentativen Daten liegt der Wert der Untersuchung. Für die Zukunft wäre allerdings eine deutlich weitergehendere inhaltliche Differenzierung der Fragestellung der Autorinnen wünschenswert und damit verbunden auch eine umfassendere Operationalisierung des zugrunde gelegten theoretischen Rahmenmodells, etwa die Berücksichtigung von schulischen Prozessmerkmalen. Kritisch anzumerken ist außerdem die vorgenommene Operationalisierung des gemessenen „Ausmaßes“ von kompetenzfördernden Arbeitsweisen im Unterricht, welche lediglich Zustimmungswerte erfragt. Da keine Schülervariablen erhoben wurden, scheint es zielführend, dass sich perspektivisch anschließende Studien auch den Zusammenhängen zwischen Einstellungen, Arbeitsweisen im Unterricht, schulischen Merkmalen und der tatsächlichen Kompetenzentwicklung widmen sollten. Schließlich wären die möglichen Konsequenzen der vorliegenden Ergebnisse dieser Untersuchung aus schulpraktischer Sicht vertiefter zu diskutieren.

Nachfolgende Reflexionsfragen sind ein Angebot, die Befunde der rezensierten Studie auf das eigene Handeln als Lehrkraft oder Schulleitungsmitglied zu beziehen und zu überlegen, inwiefern sich Anregungen für die eigene Handlungspraxis ergeben. Die Befunde der rezensierten Studien sind nicht immer generalisierbar, was z. B. in einer begrenzten Stichprobe begründet ist. Aber auch in diesen Fällen können die Ergebnisse interessante Hinweise liefern, um über die eigene pädagogische und schulentwicklerische Praxis zu reflektieren.

Reflexionsfragen für Lehrkräfte:

  • Welche Potenziale und Risiken des Medieneinsatzes im Unterricht sehe ich konkret bei der Arbeit mit meinen Klassen?

  • Berücksichtige ich bei mediengestütztem Unterricht den jeweiligen Kompetenzstand der Schülerinnen und Schüler?

  • Wie gut glaube ich, die Kompetenz meiner Schülerinnen und Schüler im Umgang mit den neuen Technologien einschätzen zu können? Gleiche ich meine Abschätzungen mit meinen Kolleginnen und Kollegen ab? Erwächst daraus eine sinnvolle und strukturierte Arbeitsteilung bei der Vermittlung computer- und internetbezogener Kompetenzen?

  • Welche konkreten Überlegungen und Setzungen für die Förderung der entsprechenden Kompetenzen gibt es an meiner Schule?

  • In welchen Unterrichtssituationen erscheint mir die Vermittlung von computer- und informationsbezogenen Kompetenzen am sinnvollsten möglich?

 

Reflexionsfragen für Schulleitungen:

  • Stehe ich selbst dem Einsatz von Medien im Unterricht eher positiv oder eher skeptisch gegenüber? Auf welchen konkreten Informationen beruht meine Einschätzung? Stehe ich hinsichtlich der Erfahrungen mit computerunterstütztem Unterricht im regelmäßigen Austausch mit dem Kollegium?

  • Kann ich das Kollegium auch auf andere Weise (z.B. entsprechende Fortbildungen) bei der Entwicklung einer positiven Einstellung gegenüber dem Computereinsatz im Unterricht unterstützen?
  • Bietet meine Schule eine angemessene technische Ausstattung für die Entwicklung der  Kompetenzen?

  • Benötigt die Schule im Hinblick auf die Kompetenzförderung besonders strukturierte interne Lehrpläne, mit denen der Kompetenzerwerb gegebenenfalls fachübergreifend koordiniert werden kann? 

 

Da die Gesellschaft zunehmend von der Digitalisierung durchdrungen wird, ist ein kompetenter Umgang mit Computer- und Informationstechnologie im Rahmen des lebenslangen Lernens zur Schlüsselkompetenz geworden, worauf Schulen in Form der Medienbildung reagieren müssen.

 Zudem, so führen die Autorinnen aus, zeige die ICILS-Studie 2013, dass rund ein Drittel der deutschen Schülerinnen und Schüler der 8. Jahrgangsstufe in diesem Bereich nur über geringe Kompetenzen verfügen, lediglich 1,5% erreichen das höchste von 5 Kompetenzniveaus. Die wachsende Bedeutung des Umgangs mit neuen Technologien hat somit umfangreiche Folgen für die Entwicklung von Schule und Unterricht. Dieser Sachverhalt regte umfangreiche Untersuchungen u.a. zur Medienausstattung und zum Medieneinsatz in der Schule, zu den Einstellungen von Lehrkräften zu digitalen Medien und zur Förderung computer- und informationsbezogener Kompetenzen an.

Aus dem Fundus der dabei erzielten Ergebnisse beziehen die beiden Autorinnen Indikatoren, anhand derer sie ihre eigene Fragestellung bearbeiten können: Steht eine positive Einstellung der Lehrkräfte zum Einsatz digitaler Medien mit einer stärkeren Förderung der Schülerinnen und Schüler im Hinblick auf die computer- und informationsbezogenen Kompetenzen in statistisch belegbarem Zusammenhang? Die Autorinnen betonen, nachdem sie den Forschungsstand dargelegt haben, dass diese Fragestellung durch ihre Studie erstmals empirisch untersucht wird.

Zur theoretischen Fundierung ihrer Untersuchung beziehen sich die Autorinnen auf ein theoretisches Rahmenmodell, in welchem unter Berücksichtigung von schulentwicklerischen Komponenten (Kooperationskultur, Schulprogramm, Medienkonzept etc.) die Wirksamkeit digitaler Medien für die fachliche und überfachliche Kompetenzentwicklung von Schülerinnen und Schülern modelliert wird. Für die Untersuchung fokussieren die Autorinnen als theoretische Rahmung die Einstellung von Lehrkräften (Input) und deren Bedeutung für den IT-bezogenen Kompetenzerwerb (Output).

Die Autorinnen verwendeten Daten aus dem Projekt „Schule digital – der Länderindikator“ des Erhebungsjahres 2015. Diese wurden im Rahmen einer zufallsbasierten bundesweiten repräsentativen Befragung von 1.250 Lehrkräften der Sekundarstufe I (ohne Förderschulen) erhoben. Der Anteil der weiblichen Lehrkräfte betrug dabei 60,2 %; 42,6% der Lehrkräfte waren 50 Jahre oder älter. Die Befragung erfolgte anhand computergestützter Interviews auf der Basis eines strukturierten Fragebogens.

Die Einstellungen zum Einsatz digitaler Medien wurden anhand von neun Indikatoren ermittelt. Fünf davon galten erwarteten Potenzialen des Medieneinsatzes: Ermöglicht der Einsatz digitaler Medien nach Ansicht der Lehrkraft 1. den Zugang zu besseren Informationsquellen, 2. eine wirksamere Vertiefung / Verarbeitung der Informationen, 3. die Entwicklung eines größeren Interesses am Lernen, 4. eine Arbeit der Schülerinnen und Schüler auf einem ihren Lernbedürfnissen entsprechenden Niveau, 5. eine Steigerung der Schulleistungen? Vier Indikatoren erfassten mögliche Risiken: Kommt es durch den Einsatz digitaler Medien zu 1. einer Verschlechterung der Schreibleistung von Schülerinnen und Schülern, 2. einem bloßen Kopieren von Internetquellen, 3. einer Ablenkung vom Lernen, 4. einem Kontrollverlust des Lehrers und damit zu einer Einschränkung der Steuerbarkeit des Unterrichts? Diese Indikatoren wurden anhand einer vierstufigen Skala von 0 (= stimme nicht zu) bis 3 (= stimme voll zu) durch die Lehrkräfte bewertet.

Bedingt durch das Design der Studie „Schule digital – der Länderindikator“ standen den Autorinnen keine Erhebungen zu den überfachlichen Kompetenzen von Schülerinnen und Schülern zur Verfügung. Folglich untersuchten sie stattdessen, ob und in welchem Ausmaß bestimmte computerbezogene, kompetenzfördernde Arbeitsweisen durch Lehrkräfte gefördert wurden. Sie orientierten sich dabei am fünfstufigen, komplexer werdenden Kompetenzmodell der „ICILS 2013“-Studie und leiteten daraus für jede Stufe einen Indikator ab (z.B. „Ich lasse mir von den Schülerinnen und Schülern zeigen, dass sie die Glaubwürdigkeit und Nützlichkeit ermittelter Informationen richtig einschätzen können“). Diese Indikatoren reichen 1. vom Speichern von Informationen über 2. die Erstellung/Bearbeitung von Tabellen, Grafiken, Texten anhand strukturierter Instruktionen und 3. der Navigation im Internet zu 4. der Erstellung von adressatengerechten Postern/Präsentationen am Computer anhand vorgegebener Quellen und 5. dem Einschätzen der Glaubwürdigkeit oder Nützlichkeit von Informationen. Die Autorinnen führen aus, dass die Lehrkräfte im Rahmen der Befragung angaben, in welchem Ausmaß diese Arbeitsweisen Teil ihres Unterrichts waren. Erneut kam bei der Quantifizierung eine vierstufige Skala von vollständiger Ablehnung zu vollständiger Zustimmung zum Einsatz (stimme voll zu – stimme nicht zu). Alle gebildeten Skalen (wahrgenommene Potenziale, wahrgenommene Risiken und kompetenzfördernde Arbeitsweisen)  zeigen zufriedenstellende Reliabilitäten auf. Als Hintergrundvariablen wurden zudem noch das Geschlecht und das Alter der Lehrkräfte berücksichtigt.

Die so gewonnenen Daten wurden in einem dreischrittigen Verfahren statistisch verarbeitet: Zunächst stellten die Autorinnen die durchschnittliche Zustimmung der Lehrer zu den genannten Indikatoren hinsichtlich ihrer Zuordnung zu Potenzialen oder Risiken für den Einsatz digitaler Medien im Unterricht fest. Anschließend wurde mittels Korrelationsanalysen überprüft, ob zwischen den von den Lehrkräften erwarteten Potenzialen und Risiken bezüglich des Einsatzes digitaler Medien und den fünf kompetenzfördernden Arbeitsweisen im Unterricht ein signifikanter Zusammenhang besteht. Die Autorinnen unterstellten dabei, dass die Nutzung dieser Arbeitsweisen im Unterricht dem Grad der Förderung computer- und informationsbezogener Kompetenzen entspricht.

Abschließend prüften die Autorinnen mittels einer linearen Regressionsanalyse, ob ein gerichteter Zusammenhang dadurch gegeben ist, dass die Wahrnehmung der Potenziale des Medieneinsatzes als Prädikator für eine stärkere Förderung der computer- und informationsbezogenen Kompetenzen fungiert. Die Förderung der computer- und informationsbezogenen Kompetenzen im Rahmen der fünf Arbeitsweisen ging in Form eines gebildeten Summenindex als abhängige Variable in diese Berechnung ein.

Die Analyse der Zustimmung der Lehrkräfte zu den Indikatoren ergibt: Bei den Potenzialen des mediengestützten Unterrichts zeigt sich der höchste Zustimmungswert für die Annahme, dass der Einsatz digitaler Medien den Zugang zu besseren Informationsquellen ermögliche; die geringste Zustimmung erhält die Annahme, dass der Einsatz von Computern zu einer Verbesserung der schulischen Leistung führe. Hinsichtlich der Risiken erzielt die Aussage, dass eine Verschlechterung der Schreibfähigkeit zu erwarten sei, die höchste Zustimmung, während der Erwartung eines Kontrollverlusts im Unterricht am geringsten zugestimmt wird.

Auffällig ist, dass jeder Indikator eines Potenzials eine höhere Zustimmung als jeder Indikator eines Risikos erhält, denen die Lehrkräfte eher ablehnend gegenüberstehen. Die Einstellung der Lehrkräfte gegenüber dem mediengestützten Unterricht ist damit im Mittel eher positiv.

Von den fünf Unterrichtsaktivitäten, welche der Förderung der computer- und informationsbezogenen Fähigkeiten dienen, erhält die Einschätzung der Glaubwürdigkeit und Nützlichkeit der Informationen den höchsten, das Erstellen von Präsentationen den zweithöchsten und das Einüben der Navigation im Internet den niedrigsten Zustimmungswert. Demnach werden also die beiden höchstrangigen Kompetenzstufen am stärksten gefördert. Aus der Korrelationsrechnung ergibt sich, dass alle wahrgenommenen Potenziale des Computereinsatzes signifikant positiv mit dem Einsatz der kompetenzfördernden Arbeitsweisen im Unterricht zusammenhängen. Allerdings fallen die ermittelten Korrelationskoeffizienten eher gering aus. Hinsichtlich der Risikowahrnehmung ergibt die Korrelationsrechnung ein weniger eindeutiges Bild, da hierbei nicht immer ein signifikanter Wert ermittelt wurde. Nur die Gefahren der Ablenkung vom Lernen und des Kontrollverlustes der Lehrkraft weisen durchgängig signifikante und negative Zusammenhänge mit allen geförderten Arbeitsweisen auf.

Somit hängt eine starke Wahrnehmung von Potenzialen des Computereinsatzes mit einer stärkeren Förderung der computer- und informationsbezogenen Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler zusammen. Für die starke Wahrnehmung der Risiken gilt der umgekehrte Zusammenhang, mit ihm geht eine geringere Förderung einher.

Die lineare Regressionsanalyse, mit welcher der Zusammenhang der Potenziale des Medieneinsatzes mit den geförderten computerbezogenen Arbeitsweisen untersucht wurde, zeigt drei signifikant positive Effekte. Diese gelten 1. für die wirksamere Vertiefung und Verarbeitung von Informationen, 2. für die Ermöglichung der Arbeit auf einem den individuellen Lernbedürfnissen entsprechenden Niveau und 3. für eine Verbesserung der schulischen Leistungen durch Einsatz digitaler Medien. Die Autorinnen sehen dadurch tendenziell bestätigt, dass die Wahrnehmung von Potenzialen des Einsatzes digitaler Medien durch die Lehrkräfte mit einer stärkeren Förderung der computer- und informationsbezogenen Kompetenzen von Schülerinnen und Schülern einhergeht. Die Autorinnen weisen allerdings zu Recht darauf hin, dass die Regressionsanalysen sich nicht zwingend als kausaler Zusammenhang interpretieren lassen und dass einzuschränkend auch das querschnittliche Design der Untersuchung zu berücksichtigen ist. Nennenswerte Unterschiede je nach Alter oder Geschlecht der Lehrpersonen ließen sich im Rahmen der Regressionsanalyse nicht nachweisen.

 

Fähigkeiten im Umgang mit Computer- / Informationstechnologie gewinnen – dem aktuellen Diskurs zufolge – zunehmend die Eigenschaften von Schlüsselkompetenzen. Die Frage, ob zwischen den Einstellungen der Lehrkräfte zum Einsatz digitaler Medien und der Förderung von computer- und informationsbezogenen Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler in ihrem Unterricht ein Zusammenhang besteht, ist damit von hoher gesellschaftlicher und pädagogischer Relevanz. Dies gilt umso mehr, als in der mittlerweile zunehmenden Forschung zum Einsatz von Informationstechnologie in der Schule offenbar noch keine Studien vorlagen. Die Forscherinnen legen sehr ausdifferenziert den entsprechenden Forschungsstand dar.

Das Design erscheint sinnvoll gewählt, zumal es auf einer breit gestreuten, repräsentativen Datenbasis (alle Bundesländer, unterschiedliche Schultypen) und einer nachvollziehbaren Abfolge von sinnvollen Untersuchungsschritten beruht. Allerdings dürfte das Untersuchungsdesign eine angesichts des Ergebnisses dringend notwendige Vertiefung kaum erlauben: Zwar untersuchen die Autorinnen den möglichen Einfluss von Alter und Geschlecht der Lehrenden auf das Ergebnis, doch können andere, möglicherweise wichtigere Faktoren nicht ausgeschlossen werden: So erwähnen die Autorinnen auf der Basis der bestehenden Literatur selbst, dass in Bezug auf die Bundesländer wesentliche Unterschiede bei den Einstellungen der Lehrer, bei Konzepten der IT-Förderung und dem Ausmaß der Nutzung digitaler Medien bestehen. Darüber hinaus könnte eine Differenzierung von Lehrereinstellungen und Kompetenzförderung im Hinblick auf Schulformen, Jahrgangsstufen oder Schulfächern von Interesse sein. Auch müsste sichergestellt werden, dass Fälle verglichen werden, bei denen die Schulen durch eine qualitativ und quantitativ ausreichende Ausstattung mit Computern, Software usw. ähnliche infrastrukturelle Voraussetzungen für den Unterricht mit Medieneinsatz haben.

Die Kontrolle anderer Variablen erscheint umso gebotener, als die Autorinnen selbst auf ein Rahmenmodell rekurrieren, welches schulentwicklerische Prozessmerkmale mitmodelliert, während die Autorinnen jedoch empirisch dann nur Input- und Outputebene betrachten. Hier fällt in der Operationalisierung zudem auf, dass die Autorinnen angeben, das Ausmaß der Arbeitsweisen im Unterricht abzufragen, die angegebene Antwortskala jedoch lediglich Zustimmungswerte erfasst – es bleibt also unklar, in welchem Umfang die Lehrkräfte tatsächlich diese Arbeitsweisen im Unterricht nutzen bzw. befördern. Weiterhin wäre zu fragen, welche Erwartungen die Lehrkräfte hinsichtlich der bereits bestehenden Kompetenzen ihrer Schüler und Schülerinnen haben, so dass sie – möglicherweise fälschlich – bestimmte Fähigkeiten gar nicht mehr im Unterricht mithilfe von Medieneinsatz trainieren.

Die Zielsetzung der Untersuchung wird zwar im Wesentlichen erreicht, allerdings dürfte ein Teil der Ergebnisse einen Schulpraktiker vermutlich wenig überraschen: Ein Lehrer, welcher dem Unterricht mithilfe von Medieneinsatz skeptisch gegenübersteht, wird ihn mutmaßlich seltener und weniger engagiert durchführen und deshalb bei seinen Schülerinnen und Schülern weniger umfangreich die entsprechenden Kompetenzen vermitteln können. Auch sind die praktischen Konsequenzen der Ergebnisse nicht völlig klar: Was bedeuten sie für die Kompetenzentwicklung der Schülerinnen und Schüler, die in der Mittelstufe von einer großen Zahl von Lehrkräften (mit mutmaßlich stark unterschiedlichen Einstellungen zum Einsatz digitaler Medien) unterrichtet werden? Was bedeuten sie für die Schulen? Benötigen diese etwa eindeutigere Regeln, wann, wie und in welchem Fachunterricht die Kompetenzen zu erwerben sind? Was bedeuten sie für die Professionalisierung von Lehrerinnen und Lehrer, deren Einstellungen ja nicht durch Zufall, sondern zumindest zum Teil erfahrungsgestützt entstanden sein dürften? Zwar nennen die Autorinnen die Notwendigkeit, sich stärker mit den neuen Technologien und ihrem Einsatz im Rahmen der Lehreraus- und Weiterbildung auseinanderzusetzen, werden hierbei aber nicht sehr konkret.

Demgegenüber sehen die Autorinnen vor allem zukünftigen Handlungsbedarf hinsichtlich der dem Kompetenzerwerb gewidmeten Forschung im Bereich der Prozess- und Outputebene. Dem zustimmend wären perspektivisch daher sich anschließende Untersuchungen wünschenswert, die die Zusammenhänge zwischen Einstellungen, Arbeitsweisen, schulischen Prozessmerkmalen und den tatsächlichen Leistungen der Schülerinnen und Schüler betrachten.

Diese Rezension wurde erstellt von:
Dr. Heinz Sander, Lehrer am Gymnasium der Stadt Kerpen – Europaschule und Privatdozent an der Universität zu Köln

Sie haben Fragen oder Anregungen?

Schreiben Sie uns!