Fragestellungen der Studie:

  • Wie lässt sich intrinsische Lernmotivation erklären und fördern?

Rezension zur Studie

Warwas, J., Kärner, T. & Geck, A.-L. (2016). Individuelle und kontextuelle Prädiktoren intrinsischer Lernmotivation von Auszubildenden an beruflichen Schulen. Zeitschrift für Bildungsforschung, 6(3), 285–306.FIS Bildung

Ein wichtiges Ziel von Lehrkräften ist es, die Entwicklung von Lernmotivation zu unterstützen. Als besonders vorteilhaft gilt „intrinsisches“ Lernen, das nicht durch äußere Sanktionen veranlasst wird, sondern internal reguliert und emotional positiv konnotiert ist.

Warwas et al. untersuchen die intrinsische Lernmotivation von Berufsschülerinnen und Berufsschülern und gehen der Frage nach, inwieweit sich ihre intrinsische Lernmotivation erklären lässt durch individuelle und soziale Voraussetzungen, durch Merkmale des erteilten Unterrichts und der Berufsschulklassen (Klassenzusammensetzung).

Hierzu wurden in einer Fragebogenerhebung 847 Auszubildende aus 41 Klassen an 20 Berufsschulen in Bayern befragt und die Daten mit Mehrebenen-Regressionen ausgewertet (Querschnittsuntersuchung).

Im Ergebnis sind Berufsschülerinnen durchschnittlich stärker intrinsisch motiviert als Berufsschüler. Daneben ergeben sich höhere Ausprägungen, wenn Auszubildende die schulischen Lerninhalte als verwertbar und nützlich für die Aufgabenerledigung im Beruf einschätzen und wenn Eltern sich für die Bildungskarriere ihres Kindes engagieren, beispielsweise durch aufmerksame Zuwendung, bekundetes Interesse an schulischen Aktivitäten, Bekräftigung bzw. Ermutigung und wohldosierte Unterstützung.

Bezüglich der Unterrichtsgestaltung werden als relevante Bedingungen verständliche Arbeitsaufträge, Erklärungen und Rückmeldungen, Sensibilität der Lehrkräfte im Umgang mit Lernschwierigkeiten sowie Unterstützung und nicht als zu schwierig empfundene Unterrichtsinhalte identifiziert. Insbesondere bei Auszubildenden mit unterdurchschnittlichen Selbstwirksamkeitserwartungen steht die intrinsische Motivation in Zusammenhang mit der wahrgenommenen Sensitivität und Unterstützung der Lehrkräfte. Merkmale der Klassenzusammensetzung sind nicht erklärungsmächtig.

Wenngleich die Untersuchung im Wesentlichen gängige Vorstellungen bestätigt, führt sie noch einmal deutlich vor Augen, dass intrinsische Lernmotivation v. a. bei ungünstigen Voraussetzungen wie geringen Selbstwirksamkeitserwartungen durch Lehrkräfte gezielt gefördert werden kann.

Nachfolgende Reflexionsfragen sind ein Angebot, die Befunde der rezensierten Studie auf das eigene Handeln als Lehrkraft oder Schulleitungsmitglied zu beziehen und zu überlegen, inwiefern sich Anregungen für die eigene Handlungspraxis ergeben. Die Befunde der rezensierten Studien sind nicht immer generalisierbar, was z. B. in einer begrenzten Stichprobe begründet ist. Aber auch in diesen Fällen können die Ergebnisse interessante Hinweise liefern, um über die eigene pädagogische und schulentwicklerische Praxis zu reflektieren.

Reflexionsfragen für Lehrkräfte:

  • Formuliere ich Arbeitsanweisungen klar und verständlich und erläutere ich die zu lehrenden Unterrichtsinhalte anschaulich, sodass dem Bedürfnis der Lernenden nach Kompetenzerleben entsprochen wird?
  • Habe ich die Lernenden einer jeden Klasse dergestalt im Blick, dass ich diagnostizieren kann, wann einfühlsame Hilfestellungen und Unterstützung erforderlich sind?
  • Nehme ich meine Schülerinnen und Schüler als Individuen mit je unterschiedlichen Ressourcenausstattungen wahr, die unterschiedlich viel Zuspruch benötigen? Gebe ich ausreichende positiv verstärkende Rückmeldungen bzw. weiß ich, wen ich durch konstruktive Kritik und weiterführende Anregungen fordern kann und sollte? Gehe ich insgesamt wertschätzend und respektvoll mit meinen Schülerinnen und Schülern um, da soziale Eingebundenheit und damit gegenseitige Wertschätzung eine Voraussetzung für intrinsische Lernmotivation ist?
  • Sind die von mir ausgewählten Unterrichtsgegenstände aktuell und von gegenwärtiger beruflicher Relevanz für die Auszubildenden meiner Lerngruppe?
  • Ist das methodische Arrangement meines Unterrichts aktivierend, sodass dem Bedürfnis nach Autonomieerleben genüge getan ist? Beachte ich das Prinzip der Handlungsorientierung? Ermögliche ich kooperative Lernarrangements?

 

Reflexionsfragen für Schulleitungen:

  • Benötigen die Kolleginnen und Kollegen möglicherweise eine Fortbildung zu bestimmten Themen der beruflichen Praxis, die sich in den letzten Jahren verändert haben (Beispiel Industrie 4.0)?
  • Wie stark kooperieren die Kolleginnen und Kollegen, die in den berufsschulischen Bildungsgängen arbeiten, bzw. die entsprechenden Bildungsgangleitungen mit den Betrieben als dem dualen Partner?
  • Ist der Unterricht, den ich bei Unterrichtsbesuchen beobachte, geprägt von schüleraktivierenden Methoden, didaktisch sinnvoll ausgewählten, aktuellen und authentischen Inhalten und einem wertschätzenden Umgang der Lehrkraft mit den Lernenden? Hat die Lehrkraft diagnostische Fähigkeiten und nimmt wahr, wenn Hilfestellungen und Unterstützung individuell notwendig werden? Erkennt sie anhand von Schülerantworten, welcher Erklärungsbedarf bei einem Gegenstand bleibt?
  • Ist es gegebenenfalls notwendig, eine schulinterne oder eine externe Fortbildung zu didaktisch-methodischen Fragestellungen zu initiieren?

 

Einleitend weist die Autorengruppe darauf hin, dass Aufbau und Stärkung von Lernmotivation nicht nur wichtige Ziele (berufs-)schulischer Bildung sind, sondern auch Faktoren, die im Hinblick auf Ausbildungsverlauf und -abschluss über Erfolg und Misserfolg entscheiden. Darüber hinaus seien sie mit der Leitidee des Lebenslangen Lernens eng verknüpft, denn diesbezüglich bestünde die Annahme, dass in einer sich ständig verändernden Arbeitswelt nur derjenige beruflichen Erfolg haben könne, der sich stetig fortbildet. Als erstrebenswert gelten dabei insbesondere selbstbestimmte Varianten der Lernmotivation, die nicht durch äußere Sanktionen veranlasst sind („intrinsische Motivation“).

Ziel der Untersuchung ist es daher, Vorhersageparameter (Prädiktoren) zu identifizieren, die Unterschiede in der intrinsischen Motivation (i-LM) von Berufsschülerinnen und -schülern aufklären können.

Für die nähere Bestimmung von i-LM rekurrieren Warwas et al. auf die Selbstbestimmungstheorie (Ryan & Deci, 2002), nach der extrinsische und intrinsische Motivation die Extrempunkte eines Kontinuums darstellen. Ein Höchstmaß an internaler Handlungssteuerung besteht bei intrinsischer oder integrierter Motivation. Das Handeln erfolgt bei diesen Formen der Motivation aus innerem Antrieb oder überzeugter Selbstverpflichtung auf positiv besetzte Ziele und Werte. Hieraus abgeleitet formuliert die Autorengruppe ihr Verständnis von i-LM als ein überwiegend internal reguliertes und emotional positiv konnotiertes Lernen.

Die in der Untersuchung berücksichtigten potenziellen Prädiktoren für i-LM werden unter Rückgriff auf theoretische Ansätze begründet und zwei Bereichen zugeordnet:

1. Subjektive Anreizqualitäten von Lernhandlungen und individuelle Erwartungen
Unter Bezug auf das Erweiterte kognitive Motivationsmodell (Heckhausen & Heckhausen, 2010) werden Tätigkeitsanreize (bereichernde, freudvolle Auseinandersetzung mit Lerninhalten), Folgenanreize (z. B. Verwertungsnutzen der Lerninhalte) und individuelle Erwartungen (Zutrauen in eigene Bewältigungsfähigkeiten) als personenseitige Prädiktoren von i-LM bestimmt. An dieser Stelle wird noch einmal deutlich, dass das zugrunde gelegte Verständnis von i-LM ausdrücklich auch eine Veranlassung durch Folgenanreize umfasst, sofern sie durch widerspruchsfrei in das eigene Selbstkonzept integrierte Ziele und Werte zustande kommt.

2. Kontexteffekte
Für die theoretisch begründete Auswahl von Prädiktoren, die außerhalb der einzelnen Auszubildenden liegen, werden Ansätze der pädagogischen Psychologie (Big-Fish-Little-Pond-Effekt, Theorie der Automatic Goal Contagion) und der Bildungssoziologie (Konzept des sozialen Kapitals) herangezogen. Auf Basis dieser Ansätze werden sieben Annahmen aufgestellt:

  1. Positiv bewertete Tätigkeits- und Folgenanreize hängen positiv mit der i-LM zusammen.
  2. Schulische Selbstwirksamkeitsüberzeugungen sind positiv mit der i-LM verknüpft.
  3. Schulische Selbstwirksamkeitsüberzeugungen moderieren die Zusammenhänge zwischen unterrichtlichen Anreizqualitäten und i-LM.
  4. Die Zugehörigkeit zu einer leistungsstarken Berufsschulklasse steht entgegen der Annahme des Big-Fish-Little-Pond-Effekts in keinem negativen Zusammenhang mit der i-LM der/des Einzelnen, weil die berufsschulischen Leistungen für den Ausbildungserfolg und die anschließende Übernahme in ein Arbeitsverhältnis im Vergleich zu innerbetrieblichen Beurteilungen etc. von eher geringer Bedeutung sind.
  5. Es besteht eine positive Beziehung der i-LM mit dem durchschnittlichen Beteiligungsniveau einer Klassengemeinschaft am Unterrichtsgeschehen (Theorie der Automatic Goal Contagion).
  6. Das kumulierte soziale Kapital einer Klasse steht in einem positiven Zusammenhang mit der i-LM der/des Einzelnen.
  7. Individualmerkmale wie Leistung, unterrichtliche Mitarbeit und schulbezogenes Sozialkapital sind positiv mit i-LM assoziiert.

Stichprobe: Die querschnittliche Fragebogenerhebung wurde mit 847 Auszubildenden aus 41 Klassen an 20 Berufsschulen in Bayern durchgeführt. Dabei wurden 504 weibliche und 329 männliche Auszubildende im Alter zwischen 15 und 21 Jahren befragt (für 14 Auszubildende lagen keine Angaben zum Geschlecht vor). 14,9 % der Befragten haben einen Migrationshintergrund (= Deutsch nicht als Muttersprache), 81 % nicht (4,1 % k. A.). Neben 11 Klassen aus dem kaufmännisch-verwaltenden und 12 Klassen aus dem gewerblich-technischen Bereich wurden 18 Klassen aus dem gesundheitsbezogenen und hauswirtschaftlichen Bereich einbezogen. Während im gewerblich-technischen Bereich männliche Auszubildende überwiegen (84,1 %), sind in den gesundheitsbezogenen und hauswirtschaftlichen Klassen mehrheitlich weibliche Auszubildende vertreten (86,6 %).

Instrumente: Die intrinsische Lernmotivation wurde mit zwei Items mit einer 6-stufigen Likert-Skala erfasst (Cronbach-α: .65). Für die Prädiktoren wurden Rating-Skalen eingesetzt:

Ressourcen der Auszubildenden

  • schulische Selbstwirksamkeitserwartungen (4 Items, Cronbach-α: .79)
  • schulbezogenes soziales Kapital (4 Items, Cronbach-α: .83)
  • unterrichtliche Mitarbeit (3 Items, Cronbach-α: .81)

Tätigkeits- und Folgenanreize des berufsschulischen Unterrichts

  • Sensitivität und Unterstützung der Lehrkraft (7 Items, Cronbach-α: .91)
  • Interessantheit und Anwendungsbezug der Unterrichtsgestaltung (8 Items, Cronbach-α: .92)
  • Klarheit und Verständlichkeit der Lehrendenkommunikation (4 Items, Cronbach-α: .92)
  • Schwierigkeit der Unterrichtsinhalte (3 Items, Cronbach-α: .79)
  • subjektiver Verwertungsnutzen schulischer Lerninhalte (5 Items, Cronbach-α: .89)

Neben Geschlecht und Muttersprache wurde zudem die individuelle Leistung anhand einer Durchschnittsnote in beruflichen Kernfächern ermittelt.

Datenaufbereitung und -auswertung: Die Angaben zu den klassenspezifischen Durchschnittsniveaus (Leistung, Mitarbeit, Sozialkapital) wurden aus den Einzelangaben aggregiert. Die Mehrebenen-Analysen wurden mit IBM SPSS Statistics 23 berechnet, wobei aufgrund von Verletzungen der Normalverteilungsannahme die Modellparameter mithilfe des Bootstrap-Verfahrens geschätzt wurden. Fehlende Werte, die bei den Rating-Items bei durchschnittlich 4,4 % (maximal 31,1 %) lagen, wurden anhand eines EM-Algorithmus ersetzt. Drei Variablen weisen keine signifikanten Zusammenhänge mit der i-LM auf und wurden daher aus den weiteren Analysen ausgeschlossen: klasseninternes Leistungsniveau, individueller Migrationshintergrund, klassenspezifischer Anteil von Auszubildenden mit Migrationshintergrund. Kontrollanalysen, inwiefern die Angaben zur i-LM zwischen den Berufsschulen und die Kompositionsmerkmale zwischen den Ausbildungsgängen systematisch variieren, fielen negativ aus.

Aufgrund der Heterogenität der Befragten in Bezug auf Geschlecht und Bildungsgangzugehörigkeit wurden zwei Schätzmodelle berechnet und verglichen. Obwohl beide Modelle keinen „exzellenten Fit“ besitzen, erweist sich das Modell, das geschlechtsbedingte Effekte berücksichtigt, überlegen im Vergleich zum Modell, in dem bildungsgangspezifische Effekte berechnet werden.

Die Mehrebenen-Analysen zeigen, dass die i-LM zwischen den Befragten stark variiert. Dem biologischen Geschlecht kommt bei der Erklärung dieser Unterschiede erhebliche Bedeutung zu, da weibliche Auszubildende eine höhere i-LM aufweisen (β = -.45). Klassen- oder Schulzugehörigkeit stehen in keinem signifikanten Zusammenhang. Ebenso liefern die Kompositionsmerkmale

  • Beteiligungsniveau am Unterrichtsgeschehen,
  • kumuliertes soziales Kapital und
  • Geschlechterverhältnis in der Klasse

unter Kontrolle der zugehörigen Individualmerkmale keinen eigenen signifikanten Erklärungsbeitrag.

Die Prüfung der aufgestellten Annahmen erbringt Folgendes:

  1. Es lassen sich systematische Beziehungen zwischen i-LM und den Operationalisierungen der Tätigkeits- bzw. Folgenanreize unterrichtlicher Lernaktivitäten nachweisen, wobei die Koeffizienten niedrig und nicht durchgängig signifikant ausfallen. Als stärkster Prädiktor erweist sich die Verwertbarkeit der schulischen Inhalte für die berufliche Praxis (β = .21).
  2. Es besteht ein signifikant positiver Zusammenhang zwischen schulischen Selbstwirksamkeitsüberzeugungen und i-LM ( β = .12).
  3. Die i-LM von Auszubildenden mit unterdurchschnittlichen Selbstwirksamkeitsüberzeugungen steht mit der Wahrnehmung einer sensiblen und bedarfsgerechten Unterstützung der Lehrkräfte in Zusammenhang.
  4. Ein Big-Fish-Little-Pond-Effekt ist in Bezug auf die i-LM der Auszubildenden nicht nachweisbar, d. h. die i-LM der/des Einzelnen variiert unabhängig vom durchschnittlichen Leistungsniveau seiner/ihrer Berufsschulklasse.
  5. Entgegen der Automatic-Goal-Contagion-Theorie zeigen sich keine motivationalen Ansteckungseffekte unter den Mitgliedern einer Klasse, d. h. in Klassen mit durchschnittlich größerer Unterrichtsbeteiligung ist die i-LM der/des Einzelnen im Mittel nicht höher.
  6. Das schulbezogene soziale Kapital im Sinne eines leistungsfördernden Elternhauses ist auf der Klassenebene nicht mit i-LM verknüpft, d. h. Auszubildende aus Berufsschulklassen, deren Eltern im Schnitt stärker an den schulischen Leistungen ihrer Kinder interessiert sind und sie dahingehend unterstützen, haben im Mittel keine höhere i-LM.
  7. Es bestehen signifikante positive Zusammenhänge zwischen Individualmerkmalen und i-LM: Leistung (Note): β = -.16; Mitarbeit: β = .23; soziales Kapital: β = .12; Alter: β = .07; Geschlecht: β = -.45.

Die Autorengruppe weist auf methodische Einschränkungen hin: So sind aufgrund der querschnittlichen Untersuchungsanlage keine eindeutigen Kausalitäten nachweisbar. Außerdem gehen die Befragten bei der Beantwortung der einzelnen Fragebogenitems möglicherweise nicht immer trennscharf und ausreichend selbstanalytisch vor oder lassen sich durch die Semantik der Fragen beeinflussen (Common Source Bias). Darüber hinaus wird auf Kritikpunkte im Hinblick auf die Operationalisierung der Konstrukte hingewiesen.

Dennoch leiten Warwas et al. aus ihrer Untersuchung didaktische Konsequenzen sowie Forschungsdesiderate ab:

  • Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass unterrichtliche Gestaltungselemente i-LM zu- bzw. abträglich sein können.
  • Da sich die berufliche Verwertbarkeit der berufsschulischen Lerninhalte als prognostisch besonders bedeutsam erweist, sollte der Handlungsorientierung im Berufsschulunterricht eine hohe Bedeutsamkeit zukommen. Als besonders positiv einzuschätzen sei ein projektorientierter Unterricht in kleinen Gruppen mit authentischen Fallsituationen aus der betrieblichen Praxis.
  • Die Ansteckungseffekte (Automatic Goal Contagion) sollten auch am betrieblichen Lernort analysiert werden, da sie am berufsschulischen Lernort wegen der geringeren Bedeutsamkeit der dort erbrachten Leistungen nicht greifen.
  • Erforderlich sind Replikationsstudien in vollzeitschulischen Qualifizierungsmaßnahmen sowie
  • länderübergreifende Vergleiche, um die Bedeutsamkeit schulspezifischer Kompositionsmerkmale vor dem Hintergrund landestypischer Qualifizierungswege zu überprüfen.

Hintergrund
Die Frage nach Prädiktoren und damit nach möglicherweise beeinflussbaren Bedingungen für die Entwicklung intrinsischer Lernmotivation ist für Lehrkräfte äußerst relevant, nicht nur im Bereich der berufsschulischen Bildung. Daher verspricht die von Warwas et al. an bayerischen Berufsschulen durchgeführte Untersuchung interessante Erkenntnisse.

Zwar besteht bezüglich des Begriffs „intrinsische Motivation“ in der Wissenschaft kein Konsens, die von der Autorengruppe herangezogenen theoretischen Ansätze sind jedoch etabliert und liefern eine geeignete wissenschaftliche Basis. Intrinsische Lernmotivation (i-LM) meint demnach ein überwiegend internal reguliertes, emotional positiv konnotiertes Lernen und entsteht durch das Zusammenspiel von Handlungsanreizen und Erwartungen.

Eine prägnante Konsequenz der vorgenommenen integrativen Kombination verschiedener theoretischer Ansätze ist dabei zum einen, dass die gemäß der Selbstbestimmungstheorie (Ryan & Deci, 2002) für die Entstehung selbstbestimmter Motivation relevanten Voraussetzungen (Erleben von Kompetenz, Autonomie und sozialer Eingebundenheit) im Sinne der Tätigkeitsanreize des Erweiterten kognitiven Motivationsmodells (Heckhausen & Heckhausen, 2010) interpretiert werden. Zum anderen werden durch die Berücksichtigung von Folgenanreizen auch solche Veranlassungen der i-LM zugeordnet, die durch widerspruchsfrei in das eigene Selbstkonzept integrierte Ziele und Werte zustande kommen. Dies erschließt sich nicht auf den ersten Blick, da Folgenanreize eher mit einer extrinsischen Motivation in Verbindung gebracht werden.

Die Kontextfaktoren, die als weitere Prädiktoren dienen, entstammen sehr unterschiedlichen Ansätzen verschiedener Wissenschaftsgebiete und es entsteht der Eindruck einer überkomplexen und eklektizistischen Vorgehensweise. Die Konzepte der Selbstwirksamkeit, der Ressourcenausstattung bzw. des sozialen Kapitals, des Big-Fish-Little-Pond-Effektes und der Automatic Goal Contagion haben alle für sich genommen ihre theoretische Fundierung und praktische Bedeutung, in dieser Zusammenführung tragen sie jedoch dazu bei, dass das Design als in sich unklar und nicht stringent erscheint.

Design
Dieser Eindruck wird verstärkt durch die formulierten Forschungshypothesen, die nicht immer deutlich voneinander abzugrenzen und durch die Kumulation verschiedener Aspekte mitunter unscharf formuliert sind. Weitere Schwächen betreffen die Operationalisierung der Konstrukte und die Modellierung der Mehrebenenmodelle. So wird intrinsische Motivation als zentrale abhängige Variable lediglich durch zwei Fragebogenitems erfasst, was sich negativ auf die Reliabilität des Konstrukts auswirkt. Die Auswahl der verwendeten Fragebogenitems zur Erfassung der Prädiktoren wird nicht begründet, wirkt willkürlich und die Theorieanbindung teilweise eher assoziativ: So wird die von den Berufsschülerinnen und Berufsschülern wahrgenommene „Sensitivität und Unterstützung der Lehrkraft“ den Tätigkeits- und Folgenanreizen des berufsschulischen Unterrichts zugeordnet. Die unterstellte Vermittlung des Effekts über das Erleben von Kompetenz, Autonomie oder sozialer Einbindung wird nicht expliziert und auch nicht adäquat modelliert. Darüber hinaus sind die zur Kontrolle berücksichtigten Individualmerkmale wie Mitarbeit und Leistung vermutlich mit den Prädiktoren wie Selbstwirksamkeit konfundiert, so dass der Erklärungsbeitrag der Prädiktoren auf Grundlage der durchgeführten statistischen Analysen nicht sicher zu ermitteln ist.

Ergebnisse
Die aufgestellten Annahmen werden teilweise bestätigt, wobei die nahezu ausnahmslos niedrigen Koeffizienten und die damit verbundene geringe Varianzaufklärung auch die Schlussfolgerung zuließen, dass es mit der durchgeführten Untersuchung nicht überzeugend gelungen ist, bedeutsame „Erklärungsbeiträge“ bzw. Prädiktoren für die i-LM zu identifizieren. Das deutlichste Ergebnis, dass weibliche Auszubildende stärker intrinsisch motiviert sind als männliche, war nicht Teil der Forschungsfragen und zudem bleibt unklar, welche pädagogischen Konsequenzen sich daraus ergeben (könnten).

Die Merkmale der Klassenkomposition erweisen sich nicht, wie angenommen, als Prädiktoren für i-LM. Personenseitig stehen die Selbstwirksamkeitsüberzeugungen der Auszubildenden und ihr individuelles soziales Kapital mit i-LM in Zusammenhang. Das entspricht dem, was man im Bereich Schule und Berufsschule grundsätzlich beobachten kann.

Dass die Unterstützung durch die Lehrkraft und deren sensibler Umgang mit Lernschwierigkeiten insbesondere bei Auszubildenden mit unterdurchschnittlichen Selbstwirksamkeitsüberzeugungen mit einer höheren i-LM verknüpft sind (und deren Abwesenheit mit einer Verringerung), entspricht ebenfalls allgemeinen Erfahrungen in schulischen und berufsschulischen Zusammenhängen, konnte hier aber empirisch nachgewiesen werden und führt noch einmal vor Augen, dass durch die unterrichtliche Gestaltung die Entwicklung einer vorteilhaften i-LM gefördert oder gehemmt werden kann. Dementsprechend sind verständliche Erläuterungen, Arbeitsanweisungen und Rückmeldungen sowie die wahrgenommene berufliche Verwertbarkeit der Unterrichtsgegenstände positiv mit i-LM verknüpft. Hier konnte empirisch belegt werden, was didaktisch-methodisch postuliert wird.

In Bezug auf die Schlussfolgerungen der Autorengruppe für die didaktische Praxis ist kritisch anzumerken, dass Handlungsorientierung als methodisches Konzept mit der Auswahl authentischer, praxisrelevanter Inhalte gleichgesetzt wird, die die Didaktik betreffen. Somit ist die Forderung nach einem handlungsorientierten Unterricht zwar sachlich richtig, da er an anderen Stellen nachgewiesen werden konnte, folgt aber sachlogisch nicht daraus, dass der folgenorientierte Anreiz „Verwertbarkeit der Inhalte für die berufliche Praxis“ mit einer erhöhten i-LM in Zusammenhang steht.

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nrw-wappenAus der Reihe "Beiträge zur Schulentwicklung"

Diese Rezension wurde erstellt von:
Suja-Era Merkamp, Lehrerin am Städtischen Berufskolleg für Wirtschaft und Verwaltung, Leverkusen

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