Fragestellungen der Studie:
Rezension zur Studie
Markus, S. & Schwab, S. (2021). Zusammenhänge von sozialen Beziehungen mit schulischem Wohlbefinden und emotionalem Erleben von Grundschüler*innen. In G. Hagenauer, G. & D. Raufelder (Hrsg.), Soziale Eingebundenheit. Sozialbeziehungen im Fokus von Schule und Lehrer*innenbildung (S. 351–366). Münster, New York: Waxmann.FIS BildungFür das schulische Wohlbefinden von Schülerinnen und Schülern gelten ihre sozialen Beziehungen zu Lehrkräften sowie zu ihren Mitschülerinnen und Mitschülern (Peers) als bedeutsam. Markus und Schwab untersuchen, wie die Beziehung zur Lehrkraft und verschiedene Aspekte der Peer-Beziehungen zusammenhängen mit unterschiedlichen Dimensionen von Wohlbefinden, nämlich mit Schulzufriedenheit und mit unterrichtsbezogenen Emotionen (Ärger, Angst, Langeweile und Freude).
Hierfür nutzten sie Daten einer Fragebogenerhebung an 1.008 Schülerinnen und Schülern der 4. Jahrgangsstufe in NRW und analysierten sie mit Korrelationen und Mehrebenenregressionen.
Im Ergebnis berichten Grundschülerinnen und Grundschüler im Mittel von positiv ausgeprägten Sozialbeziehungen, sie sind überdurchschnittlich zufrieden und empfinden deutlich mehr Freude als negative Emotionen, wobei die Werte der Mädchen tendenziell noch etwas günstiger ausfallen als die der Jungen. Am stärksten wirkt die Beziehung zur Lehrkraft auf Schulzufriedenheit (β = .29) und Freude (β = .28), etwas geringere Bedeutung für schulisches Wohlbefinden haben die allgemeinen Peer-Beziehungen, mit denen unter anderem erfasst wird, als wie freundlich und hilfsbereit die Mitschülerinnen und Mitschüler eingeschätzt werden. Zudem sind diese allgemeinen Peer-Beziehungen mit der Beziehung zur Lehrkraft verknüpft (r = .42). Keine oder geringere Relevanz für das Wohlbefinden besitzen spezifischere Peer-Beziehungen (Interaktionen in der Pause, Freundschaftsqualität).
Die Befunde lassen sich dahingehend interpretieren, dass Lehrkräfte einen Einfluss auf das schulische Wohlbefinden der einzelnen Schülerinnen und Schüler haben, nicht nur direkt durch die Gestaltung einer positiv erlebten individuellen Beziehung, die beispielsweise durch Wertschätzung, Respekt und Fürsorge geprägt ist, sondern auch indirekt über die Interaktion mit den jeweiligen Mitschülerinnen und Mitschülern.
Leider gehen diese Befunde nicht über bereits anderswo belegte Erkenntnisse hinaus; so ergeben sich etwa keine bemerkenswerten Effekte der betrachteten spezifischeren Peer-Beziehungen. Zudem fällt auf, dass die verwendeten Begriffe nicht stimmig abgegrenzt und konsistent verwendet werden. Außerdem sind die angeführten theoretischen Ansätze nur lose mit den aufgestellten Hypothesen sowie den erhobenen Merkmalen verknüpft. Daneben bleiben Variablen und Prozesse ausgeblendet, welche die untersuchten Zusammenhänge vermitteln und moderieren. Aufgrund des hohen Abstraktionsgrades liefert die Studie daher keine innovativen Erkenntnisse und wenig konkrete Hinweise für eine lernförderliche Gestaltung schulischer Sozialbeziehungen.
Nachfolgende Reflexionsfragen sind ein Angebot, die Befunde der rezensierten Studie auf das eigene Handeln als Lehrkraft oder Schulleitungsmitglied zu beziehen und zu überlegen, inwiefern sich Anregungen für die eigene Handlungspraxis ergeben. Die Befunde der rezensierten Studien sind nicht immer generalisierbar, was z. B. in einer begrenzten Stichprobe begründet ist. Aber auch in diesen Fällen können die Ergebnisse interessante Hinweise liefern, um über die eigene pädagogische und schulentwicklerische Praxis zu reflektieren.
Reflexionsfragen für Lehrkräfte
Reflexionsfragen für Schulleitungen
Obwohl die Bedeutung von Lehrkraft-Schülerinnen/Schüler-Beziehungen für die schulische Motivation und Leistung von Schülerinnen und Schülern laut Markus und Schwab als „unbestritten“ gilt (S. 23), ist die Forschungslage ihrer Ansicht nach dünn: Häufig würden nur Einzelaspekte untersucht und das Konstrukt der Lehrkraft-Schülerinnen/Schüler-Beziehungen zudem unterschiedlich operationalisiert. Insgesamt fehle es an passenden Forschungsinstrumenten, die die Wechselseitigkeit der Beziehung berücksichtigen, die die Perspektive der Lernenden einbeziehen und die ökologischen Kontexte erfassen.
Die von Markus und Schwab angeführte Definition von Wohlbefinden als „Zustand, bei dem positive Emotionen und Kognitionen gegenüber der Schule, den Personen in der Schule und dem schulischen Kontext bestehen und gegenüber negativen Emotionen und Kognitionen dominieren“ (Hascher, 2004b, zitiert nach Markus & Schwab, 2021, S. 352) deutet die Vielzahl relevanter Aspekte und Theorien an, die im Zusammenhang mit schulischem Wohlbefinden stehen, wie Interaktion, Vertrauen, Selbstbestimmung, Anerkennung, Motivation und vieles andere mehr.
Im Rahmen dieses als eher konstant aufgefassten, habituellen Verständnis von Wohlbefinden als multidimensionalem Konstrukt untersuchen Markus und Schwab emotionales Erleben als affektive Komponente von schulischem Wohlbefinden, wobei sie sich auf Pekruns (2006) Kontroll-Wert-Theorie zur Entstehung von Lern- und Leistungsemotionen beziehen (s. auch Pekrun & Perry, 2014). In dieser wird angenommen, dass die individuelle Bewertung von Lern- und Leistungsaktivitäten und die subjektiv erlebte Kontrolle oder Beeinflussung des Ergebnisses die Entstehung von Emotionen in Leistungssituationen prägen.
Hierbei werde emotionales Erleben als Trait, abhängig von persönlichen Einstellungen und Überzeugungen, berücksichtigt (Scollon, Kim-Prieto & Diener, 2003) und insofern als habituelle Tendenz, mit einer bestimmten Emotion im oder auf Unterricht zu reagieren, wie Freude, Angst, Langeweile oder Ärger (statt sog. „State-Emotionen“, die sich auf das direkte emotionale Erleben in einer konkreten Situation beziehen).
Da Emotionen als situierte Erfahrungen in Interaktion in der Lernumgebung entstünden, würden hier als Kontextbezüge auch soziale Beziehungen und soziale Eingebundenheit berücksichtigt. Grundsätzlich trügen positive Beziehungen im Unterricht zwischen Schülerinnen und Schülern, Peers und Lehrkräften zur Befriedigung des menschlichen Bedürfnisses nach sozialer Eingebundenheit bei (Deci & Ryan, 1985) und förderten das emotional-motivationale Erleben. Dies geschehe zum einen als Beziehung der Schülerinnen und Schüler zur Lehrkraft, die auf die soziale Eingebundenheit sozial-emotional durch Wertschätzung, Respekt und Fürsorge Einfluss nehmen kann, und zum anderen durch die sozialen Beziehungen der Schülerinnen und Schüler untereinander (vgl. Schmidt, Dirk & Schmiedek, 2019).
Bedeutsam für das Verständnis der Studie ist die Theorie des „Social Referencing“ (Walden & Ogan, 1988) zur Abhängigkeit des Beziehungsklimas der Schülerinnen und Schüler untereinander von der Gestaltung der Interaktionen der Lehrkraft. Schülerinnen und Schüler nehmen positives wie negatives Verhalten von Lehrkräften einzelnen Schülerinnen und Schülern gegenüber als Hinweis-Reiz für ihr eigenes Verhalten wahr (Hughes & Chen, 2011). Lehrkräfte beeinflussen das emotionale Wohlbefinden und emotionales Erleben von Schülerinnen und Schülern demnach direkt und gleichzeitig durch ihre Beeinflussung von Peer-Beziehungen auch indirekt (Mainhard, Oudman, Hornstra, Bosker & Goetz, 2018).
In der vorliegenden Studie stellen Markus und Schwab die Frage, inwiefern subjektiv empfundene soziale Beziehungen zu Peers und Lehrkräften mit schulischem Wohlbefinden von Grundschülerinnen und Grundschülern zusammenhängen. Literaturbasiert wird angenommen, dass Klassenlehrpersonen einen Einfluss auf die Einstellungen der Kinder zur Schule sowie auf deren Freude in der Schule haben (Hascher & Lobsang, 2004).
Hypothese 1 geht dementsprechend davon aus, dass allgemeine Peer-Beziehungen in der Klasse, Peer-Interaktionen in der Pause, Freundschaftsqualität sowie die Beziehung zur Lehrkraft deutliche Zusammenhänge zur Schulzufriedenheit und zu spezifischen Lern- und Leistungsemotionen zeigen.
In Hypothese 2 wird angenommen, dass positive Beziehungen zu Lehrkraft und Peers in der Klassengemeinschaft, hohe Freundschaftsqualität und häufige Peer-Interaktionen in der Pause die Freude und Schulzufriedenheit stärken und Angst, Ärger und Langeweile verringern.
Stichprobe
Markus und Schwab führten die Studie im Rahmen des DFG-geförderten SISI-Projekts („Schulische Inklusion von Schüler*innen in Inklusionsklassen“) durch und nutzten Querschnittsdaten vom ersten Messzeitpunkt des Projekts aus dem Schuljahr 2018/2019. An der Fragebogenerhebung nahmen 1.008 Schülerinnen und Schüler (45 % weiblich, 47 % männlich, 8 % fehlende Angaben) aus 48 Inklusionsklassen der 4. Jahrgangsstufe aus 28 Grundschulen in NRW mittels Paper-Pencil-Fragebogen teil. Die Kinder waren zwischen 8;11 und 11;7 Jahre alt, ca. 10 % hatten einen diagnostizierten sonderpädagogischen Förderbedarf, 17 % sprachen zu Hause (auch) eine andere Sprache als Deutsch.
Erhebungsinstrumente
Das Wohlbefinden der Kinder wurde als multidimensionales Konstrukt zum einen durch die positive Einstellung zur Schule als Schulzufriedenheit erfasst. Hierfür wurde mit Hilfe einer fünfstufigen Likert-Skala erfasst, wie gern die Schülerinnen und Schüler beispielsweise zur Schule gehen oder ob sie die Sachen mögen, die in der Schule gemacht werden (Kämppi et al., 2012). Als affektive Komponente des schulischen Wohlbefindens wurden zudem Lern- und Leistungsemotionen erfasst, wobei diese mit Hilfe von Single-Item-Skalen (Götz, Heller, Collier & Kügow, 2011) zu den Emotionen Freude, Ärger, Angst und Langeweile erhoben wurden. Auch zur Messung der Qualität von Freundschaft (z. B. „mit meinem besten Freund / meiner besten Freundin habe ich viel Spaß“) und der individuellen Beziehung zur Lehrkraft (z. B. „Meine Lehrer interessieren sich dafür, wie es mir geht.“) und zu den Peer-Beziehungen in der Klasse (z. B. „Die meisten Schüler meiner Klasse sind freundlich und hilfsbereit.“) wurde die Stärke der Zustimmung zu den Aussagen in fünfstufigen Likert-Skalen abgefragt. Die Skalen zu Schulzufriedenheit, zur Beziehung zur Lehrkraft und zu den Peer-Beziehungen basieren auf Skalen, die aus der finnischen Health Behaviour in School-aged Children (HBSC) Study (Kämppi et al., 2012) übersetzt wurden.
Die Reliabilitäten wurden mittels Cronbachs α (.61–.84) und McDonalds ω (.61–.85) eingeschätzt (vgl. Dunn, Baguley & Brunsden, 2014).
Um die durchschnittliche selbst wahrgenommene Peer-Interaktion während der Pausenzeiten zu messen, wurde für jeden Schüler und jede Schülerin ein Mittelwert aus den Angaben gebildet, wie viel Pausenzeit er oder sie in einer fünfstufigen soziometrischen Ratingskala mit jeder anderen Mitschülerin und jedem anderen Mitschüler verbringt (vgl. auch Frederickson & Furnham, 2001; Roberts & Smith, 1999; und Schwab, 2015).
Auswertung
Um Zusammenhänge von sozialen Beziehungen, affektivem Wohlbefinden und emotionalem Erleben zu untersuchen, wurden Korrelationsanalysen zwischen Schulzufriedenheit, Emotionen und sozialen Beziehungen nach Pearson berechnet (Hypothese 1). Darüber hinaus wurde mit Hilfe linearer Mehrebenenregressionsanalysen ermittelt, inwieweit die erhobenen sozialen Beziehungen die berücksichtigten Komponenten schulischen Wohlbefindens vorhersagen (Hypothese 2).
Alle erhobenen Daten wurden mit SPSS (Version 26) und RStudio (Rstudio Team, 2019) analysiert, als Maße für die praktische Relevanz wurden die relativen Effektstärken nach Cohen (1988) klassifiziert. Fehlende Werte konnten aufgrund der Stichprobengröße durch listenweisen Fallausschluss aus der Analyse ausgeschlossen werden.
Deskriptive Statistiken
Die Mittelwerte für Schulzufriedenheit und Freude liegen mit 3.73 und 3.88 im Gegensatz zu den negativen Emotionen deutlich über dem theoretischen Skalenmittelwert von 3.00. Auch die Beziehung zur Lehrkraft (4.03) und zu Mitschülerinnen und Mitschülern (allgemeine Peer-Beziehungen 3.90, Freundschaftsqualität 4.22) zeigen positive Werte.
Während Grundschülerinnen im Vergleich zu ihren männlichen Klassenkameraden mehr Schulzufriedenheit (3.98 vs. 3.49) und Freude (4.04 vs. 3.71) empfinden, eine bessere Beziehung zur Lehrkraft berichten (4.21 vs. 3.87) und eine höhere Freundschaftsqualität verspüren (4.40 vs. 4.05), erleben Grundschüler mehr Ärger (2.01 vs. 1.65) und Langeweile (2.41 vs. 1.90) als die Schülerinnen. Allerdings werden diese deskriptiven Unterschiede von Markus und Schwab nicht gegen den Zufall abgesichert.
Hypothese 1
Die Analysen belegen Zusammenhänge, die teilweise mittlere Stärke erreichen, zwischen den wahrgenommenen Beziehungen zu Lehrkraft und Peers und dem emotionalen Erleben der Kinder und ihrer Schulzufriedenheit: Die Beziehung zur Lehrkraft korreliert hochsignifikant mit Schulzufriedenheit (r = .39**) bzw. Freude (r = .39**) und die Skala allgemeine Peer-Beziehungen mit Schulzufriedenheit (r = .34**) bzw. Freude (r = .32**). Zudem korreliert die Beziehung zur Lehrkraft mit den allgemeinen Peer-Beziehungen hochsignifikant positiv (r = .42**). Beide Beziehungen zeigen eine deutliche Varianz auf der Klassenebene, also zwischen den Klassen (7.25–9.37 %), werden aber in stärkerem Maße individuell unterschiedlich wahrgenommen.
Hypothese 2
Die unterschiedlichen Emotionen (bis auf Angst) und Schulzufriedenheit hängen teilweise von Faktoren auf der Ebene der Schulklasse ab. Die Mehrebenenregressionsanalysen zeigen analog zur korrelativen Auswertung (Hypothese 1) jedoch insbesondere einen Bezug der individuell wahrgenommenen Beziehung zur Lehrkraft zu Schulzufriedenheit und positiven Emotionen der Kinder (Schulzufriedenheit: β =.29**, Freude: β = .28**). Eine positive individuell wahrgenommene Beziehung zur Lehrkraft mindert zudem negative Emotionen der Schülerinnen und Schüler (Ärger: β = -.16**; Angst: β = -.12**; Langeweile: β = -.22**). In schwächerem Zusammenhang stehen die allgemeinen Peer-Beziehungen in der Klasse zum Empfinden von Schulzufriedenheit (β = .18**) und Freude (β = .17**). Die anderen Zusammenhänge sind überwiegend deutlich schwächer ausgeprägt, die Interaktionen mit Peers während der Pausenzeit zeigen keine Zusammenhänge zu schulischem Wohlbefinden oder unterrichtsbezogenen Emotionen.
Hintergrund
Markus und Schwab verfolgen das Ziel, Zusammenhänge zwischen den sozialen Beziehungen, die Grundschülerinnen und Grundschüler in der Schule zu Lehrkräften und Peers erleben, und ihrem schulischen Wohlbefinden im Sinne von Schulzufriedenheit und unterrichtsbezogenen Emotionen zu untersuchen.
Sie folgen in ihrer Untersuchung einer Definition von schulischem Wohlbefinden als „Zustand, bei dem positive Emotionen und Kognitionen gegenüber der Schule, den Personen in der Schule und dem schulischen Kontext bestehen und gegenüber negativen Emotionen und Kognitionen dominieren“ (Hascher, 2004b, zitiert nach Markus & Schwab, 2021, S. 352) und berücksichtigen folgerichtig emotionale, kognitive und soziale Merkmale zur Untersuchung von Zusammenhängen. Angemessen in Bezug auf die Komplexität und Subjektivität dieser Zusammenhänge räumen sie für ihre Untersuchung zum Beispiel selbst ein, dass gerade Emotionen von weitaus mehr Faktoren beeinflusst werden, als in der Untersuchung berücksichtigt wurden, was bei der Interpretation der Befunde bedacht werden sollte.
Design
Markus und Schwab fassen Wohlbefinden als mehrdimensionales Konstrukt auf, sie benennen die affektive Komponente jedoch bereits im Titel als zusätzliches Element, das wirkt wenig konsequent. Als kognitive Komponente des Wohlbefindens wird Schulzufriedenheit berücksichtigt, allerdings lässt die Beispielformulierung aus dem Fragebogen vermuten, dass damit eher ein emotionaler Aspekt erfasst wurde, wofür auch der hohe Zusammenhang mit Freude (r = .61) spricht. Diese Unschärfe und Inkonsistenz findet ihre Fortsetzung in den hergestellten Bezügen zu wissenschaftlichen Ansätzen, die teilweise nur lose mit der durchgeführten Untersuchung in Verbindung stehen. Beispielsweise werden die zentralen Elemente der Kontroll-Wert-Theorie der Lern- und Leistungsemotionen gar nicht erhoben. Die angeführte „Relationships Motivation Theory“ von Deci und Ryan (bezeichnenderweise fehlt die referenzierte Quelle im Literaturverzeichnis) beschäftigt sich primär mit der Verknüpfung von Sozialbeziehungen und motivationalen Merkmalen, die gar nicht Gegenstand der Untersuchung sind.
Die beiden „abgeleiteten“ Hypothesen unterscheiden sich inhaltlich nicht, da in der zweiten Hypothese die gleichen Zusammenhänge untersucht werden. Dagegen fehlt eine Hypothese zum Zusammenhang zwischen Beziehung zur Lehrkraft und allgemeinen Peer-Beziehungen, der in der Herleitung literaturbasiert begründet und im Ergebnisteil ausgewertet wird.
Die eingesetzten Erhebungsinstrumente erscheinen teilweise nur bedingt geeignet, um die postulierten Zusammenhänge valide zu untersuchen. So werden etwa die unterrichtsbezogenen Emotionen fachunspezifisch erhoben, obwohl die Forschungslage eher auf Fachspezifität hinweist (vgl. Götz et al., 2004, S. 55), die unterrichtsbezogenen Emotionen werden mit pausenbezogenen Peer-Interaktionen in Beziehung gesetzt. Die Stichprobe ist offensichtlich nicht repräsentativ, denn der angegebene Anteil an Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund (17 %) ist viel kleiner als der in dieser Altersgruppe für Nordrhein-Westfalen repräsentative Wert (48 %, vgl. Henschel et al., 2022, S. 185).
Da sich bei den deskriptiven Auswertungen teilweise deutliche Geschlechtsunterschiede zeigen, stellt sich die Frage, warum die Hypothesenprüfung nicht getrennt nach Geschlecht erfolgte, da diese Unterschiede möglicherweise die Zusammenhänge beeinflussen bzw. überlagern. Eine Darstellung kausaler Schlussfolgerungen kann die Studie aufgrund ihres Querschnittsdesigns nicht wirksam leisten, folgende Messzeitpunkte der als Längsschnittstudie geplanten Untersuchung werden diese ersten Befunde dementsprechend ergänzen können.
Ergebnisse
Die Befunde bestätigen tendenziell die grundlegenden Hypothesen: Insbesondere die Beziehung zur Klassenlehrkraft, in geringerem Maße auch zu den Peers innerhalb der Klasse beeinflussen das emotionale Empfinden und die Schulzufriedenheit der Grundschülerinnen und Grundschüler.
Dabei erscheinen für die schulische Praxis zwei Aspekte weiterreichende Bedeutung zu haben, die miteinander in engem Zusammenhang stehen: Die Gestaltung sozialer Interaktionen durch die Lehrkraft beeinflusst Emotionen und schulisches Wohlbefinden der Schülerinnen und Schüler durchaus und zeigt die Bedeutung der Beziehungs- und Anerkennungsarbeit von Lehrkräften (ergänzend hierzu ist die Metaanalyse von Einflussfaktoren auf Lernleistungen, die John Hattie (2009) untersucht, interessant, da er gerade dem Lehrkräfte-Handeln eine so grundlegende Bedeutung zuschreibt). Lehrpersonen können also durch respektvollen, wertschätzenden und sorgenden Umgang mit Schülerinnen und Schülern einen erheblichen direkten Einfluss auf deren Wohlbefinden nehmen.
Gleichzeitig können sie durch ein positives Klassenklima in einer verantwortungsvollen Klassengemeinschaft und eine offene Fehlerkultur das Beziehungsklima der Schülerinnen und Schüler untereinander beeinflussen. Nach dem sozialpsychologischen Ansatz des „Social Referencing“ (Waldon & Ogan, 1988, vgl. auch Webster & Forschi, 1992) wird davon ausgegangen, dass das Verhalten von Lehrkräften als soziale Referenz dient und Kindern Ansatzpunkte für ihr eigenes soziales Verhalten liefert.
Vor diesem Hintergrund kommt der Studie von Markus und Schwab eine große Bedeutung für den Bereich des Wohlergehens und Wohlbefindens von Kindern zu (die zudem die Basis für gelingendes Lernen sind), indem sie Möglichkeiten der schulischen Einflussnahme durch respektvollen Umgang und wertschätzende beispielhafte Verhaltensweisen aufzeigt.
Offen bleibt jedoch, inwiefern die Befunde auch oder insbesondere für Schülerinnen und Schüler mit diagnostiziertem sonderpädagogischem Förderbedarf sowie mit Migrationshintergrund zutreffen. Hierzu liefert die Studie, wenngleich diese Daten erhoben wurden, keine Antworten.
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