Fragestellungen der Studie:

  • Wann leisten Eltern Hausaufgabenhilfe oder üben mit ihren Kindern und was bewirkt es?

Rezension zur Studie

Luplow, N. & Smidt, W. (2019). Bedeutung von elterlicher Unterstützung im häuslichen Kontext für den Schulerfolg am Ende der Grundschule. Zeitschrift für Erziehungswissenschaft, 22(1), 153–180.FIS Bildung

Ein Großteil der Kinder werden von ihren Eltern durch Hausaufgabenhilfe und/oder durch gemeinsames zusätzliches Üben unterstützt. Daher stellt sich die Frage, welche Bedingungen die elterliche Unterstützungsbereitschaft beeinflussen und welche Effekte die beiden Unterstützungsformen auf den Bildungserfolg haben.

Luplow und Smidt untersuchen hierzu 9 Hypothesen, die sie aus einem Wert-Erwartungs-Modell zur häuslichen Unterstützung sowie aus der (meist heterogenen) Forschungslage ableiten. Die Prüfung erfolgt auf Basis der Daten von 1.795 Grundschulkindern und Eltern aus der Längsschnittstudie BiKS, unter anderem mit logistischen Regressionsanalysen.

Dabei zeigt sich, dass die Intensität der Unterstützung abhängt von den Noten bzw. fachlichen Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler und ihrem schulischen Selbstkonzept, von der Selbstständigkeit der Kinder bei der Hausaufgabenbewältigung, von elterlichen Überzeugungen, bei schulischen Aufgaben unterstützen zu können, vom Motiv des Statuserhalts, von finanziellen Belastungen, Geschwisterzahl usw., wobei die Bedeutung dieser Bedingungen je nach elterlichem Bildungshintergrund variiert. Weder die Intensität der Hausaufgabenhilfe noch die des zusätzlichen Übens zu Beginn der 4. Klasse hängen mit dem Bildungserfolg am Schuljahresende zusammen, wie ein Propensity-Score-Matching-Verfahren ergibt. Allerdings bleibt bei dieser Analyse unklar, ob die anfänglichen Leistungen der Schülerinnen und Schüler berücksichtigt wurden.

Angesichts der weiten Verbreitung häuslicher Unterstützung fokussiert die Studie ein wichtiges Thema an der Schnittstelle schulischer und häuslicher Erziehung. Das Design und die methodische Vorgehensweise sind schlüssig, wenngleich die Forschungslage zu einigen Punkten vielleicht noch zu widersprüchlich ist, um daraus fundierte Hypothesen abzuleiten. Die Hypothesen erweisen sich entsprechend nur zum kleineren Teil als durchgängig zutreffend, häufiger finden sie nur eingeschränkt Bestätigung und einige müssen völlig verworfen werden.

Daher wäre eine ausgedehntere Diskussion möglicher Gründe für diese Befunde wünschenswert gewesen. Immerhin eröffnen Luplow und Smidt durch Hinweise für vertiefende quantitative und qualitative sowie inhaltlich erweiterte Untersuchungen Perspektiven für zukünftige Forschung. Dazu gehört auch die Prüfung der (scheinbar?) fehlenden Steigerung des Bildungserfolgs von Kindern, die häusliche Unterstützung erhalten.

Nachfolgende Reflexionsfragen sind ein Angebot, die Befunde der rezensierten Studie auf das eigene Handeln als Lehrkraft oder Schulleitungsmitglied zu beziehen und zu überlegen, inwiefern sich Anregungen für die eigene Handlungspraxis ergeben. Die Befunde der rezensierten Studien sind nicht immer generalisierbar, was z. B. in einer begrenzten Stichprobe begründet ist. Aber auch in diesen Fällen können die Ergebnisse interessante Hinweise liefern, um über die eigene pädagogische und schulentwicklerische Praxis zu reflektieren.

Reflexionsfragen für Lehrkräfte:

  • Was weiß ich darüber, ob / wie meine Schülerinnen oder Schüler häuslich unterstützt werden? 
  • Wie bewerte ich die Unterstützung der Kinder durch die Eltern? 
  • Spielt häusliche Unterstützung als Thema eine Rolle im Gespräch gegenüber Eltern, etwa an Elternsprechtagen? 
  • Geben mir solche Gespräche einen Hinweis auf mögliche Stärken und Defizite meines Unterrichts (und hat dies Auswirkungen auf meine Unterrichtsentwicklung)?

 

Zu den Aktivitäten, durch welche Eltern ihre Kinder bei der schulischen Entwicklung unterstützen wollen, zählen zum einen Hilfen bei den Hausaufgaben, zum anderen über die Hausaufgaben hinausgehende Lernaktivitäten im häuslichen Rahmen, etwa das Üben von Schulstoff (z. B. im Vorfeld von Klassenarbeiten) oder das Vorbereiten von Referaten. Während Hausaufgaben von den Lehrkräften erteilt werden, verbindlich sind und in die Bewertung des Schulkindes eingehen können, stellen die übrigen häuslichen Unterstützungstätigkeiten zusätzliche, weniger verbindliche, am Schülerindividuum ausgerichtete, familiär initiierte Maßnahmen dar. Durch die Unterstützungsmaßnahmen beteiligen sich die Eltern letztlich am Schulgeschehen, vor allem in einer Phase, in welcher durch den bevorstehenden Übertritt zu einer anderen Schulform ein hoher Selektionsdruck besteht. 

Die Untersuchung von Luplow und Smidt basiert auf einem zwar an Eccles et al. (1996) sowie an Jochmann et al. (2010) orientierten, aber letztlich eigenständigen Modell des Zusammenhangs von exogenen Variablen (z. B. Merkmale von Familie und Schulkind), Einstellungen, Aktivitäten elterlichen Handelns und darauf zurückzuführenden schulischen Ergebnissen des Kindes. Als Vorteile des eigenen Modells benennen Luplow und Smidt, dass Entscheidungsprozesse besser erklärt werden könnten, da persönliche Merkmale der Individuen (etwa Motive) die Merkmale der sozialen Herkunft und Wert-Erwartungs-Komponenten (s. u.) ergänzten.

Auf dieser Basis referieren Luplow und Smidt den gegenwärtigen Forschungsstand: 

  • Häufigkeit: Die meisten (90 %) Grundschulkinder erhalten elterliche Hausaufgabenunterstützung, und im Hinblick auf die Vorbereitung von Klassenarbeiten/Tests scheint auch zusätzliches Üben verbreitet zu sein.
  • Merkmale von Eltern und Kind: Uneindeutig ist die Ergebnislage bezüglich der Frage, ob ein Zusammenhang zwischen dem Bildungshintergrund der Eltern und dem Ausmaß an Unterstützung besteht. Eltern mit (nichtwestlichem) Migrationshintergrund scheinen weniger Hausaufgabenunterstützung zu geben, jedoch sind auch hier die Befunde nicht eindeutig. Zusätzliches Üben scheint verstärkt bei Eltern mit Migrationshintergrund und ohne Hochschulabschluss verbreitet zu sein. Generell scheint Lernunterstützung dann in größerem Ausmaß stattzufinden, wenn die kindlichen Schulleistungen als schlecht beurteilt werden und das Fähigkeitsselbstkonzept des Kindes gering ist.
  • Elterliche Kontrollüberzeugung, Ziele und Interpretationen des Schulerfolges: Hinsichtlich der elterlichen Einstellungen sind die Zusammenhänge zwischen elterlichen Kontrollüberzeugungen und der Unterstützung nicht eindeutig. Zwischen elterlichen Bildungserwartungen und ihrer Involviertheit bei der Hausaufgabenunterstützung scheinen lediglich schwache Korrelationen zu bestehen, während die elterliche Einschätzung der Leistungsfähigkeit der Kinder positiv mit elterlicher Unterstützung korreliert.
  • Wertkomponenten und wahrgenommene Erfolgswahrscheinlichkeit: Luplow und Smidt konstatieren hierfür ein weitgehendes Desiderat, allerdings scheint Erfolgserwartung positiv mit Elternunterstützung zu korrelieren, während Kostenaspekte offenbar unbedeutend sind.
  • Bedeutung der Unterstützungsmaßnahmen für den Schulerfolg: Hier ist die Forschungslage uneindeutig.

Auf Grundlage theoretischer Überlegungen und des Forschungsstandes formulieren Luplow und Smidt neun Hypothesen, von denen die Hypothesen 5–7 Wertkomponenten betreffen, während Hypothese 8 auf die Erwartungskomponente abzielt:

  1. Sind die schulische Bildung und die unterrichtssprachliche Kompetenz der Eltern hoch, dann können und werden Eltern ihre Kinder häufiger unterstützen.
  2. Da schlechte Schulleistungen und ein geringes Fähigkeitsselbstkonzept einen Unterstützungsbedarf suggerieren, wird in diesem Fall die elterliche Unterstützung zunehmen. 
  3. Sind Eltern überzeugt, die Unterstützung gut erbringen zu können, dann werden sie die Kinder auch häufiger unterstützen. Auch dann, wenn Eltern einen hohen Bildungsabschluss ihrer Kinder wünschen, sollte sie dies zu stärkerer Hilfe bei ihren Kindern motivieren.
  4. Sollten Eltern an ihren Kindern ein schwaches schulisches Selbstkonzept bemerken und wahrnehmen, dass sie sich mit der Hausaufgabenbewältigung schwertun, dann haben Eltern verstärkt Anlass zur Unterstützung.
  5. Luplow und Smidt gehen davon aus, dass Eltern in der Regel einen intergenerationalen sozialen Abstieg verhindern wollen. Naturgemäß besteht ein höheres Abstiegsrisiko vor allem für die Kinder aus höheren Schichten. Der Wunsch der Eltern, den sozialen Status zu wahren, müsste sie zu verstärkter Unterstützung anspornen.
  6. Haben Eltern eine positive Einstellung gegenüber schulischer Bildung und messen sie dieser einen Nutzwert bei, dann werden sie ebenfalls vermehrt zur Unterstützung bereit sein.
  7. Wenn das Einkommen gering und das ökonomische Belastungsempfinden durch den Schulbesuch hoch ist, dann sollte häusliches Lernen als kostengünstige Form der Förderung gelten und dementsprechend häufig vorkommen. Allerdings könnte nur wenig Zeit für die Unterstützung eingesetzt werden, wenn Mütter berufstätig und Familien kinderreich sind.
  8. Ist die Bildungserwartung der Eltern hoch, erweist sich aber als realistisch, dann wird ihr Kind auch höheren schulischen Anforderungen gerecht und es bedarf (und bekommt) weniger Unterstützung.
  9. Luplow und Smidt gehen davon aus, dass ein positiver Zusammenhang zwischen der häuslichen Unterstützung und dem Bildungserfolg besteht.

Stichprobe
Die Untersuchung verwendet Daten des zweiten Längsschnittes der BiKS-Untersuchung („Bildungsprozesse, Kompetenzentwicklung und Selektionsentscheidungen im Vorschul- und Schulalter; BiKS 8–14“). Dabei wurden zum Messzeitpunkt 1 (März 2006) in acht ländlichen und städtischen Regionen Bayerns und Hessens 2.395 Kinder (in 155 Klassen an 82 Grundschulen) mittels Kompetenztests erfasst. 

Die Kinder befanden sich seinerzeit in der 3. Klasse und waren durchschnittlich 9,2 Jahre alt. Folgeerhebungen fanden (Messzeitpunkt 2) zu Beginn und (Messzeitpunkt 3) gegen Ende der 4. Klasse statt. Zusätzlich nahmen 2.238 Eltern an einem telefonischen Interview teil, 24 % von ihnen verfügten über einen Hauptschulabschluss, mehr als 31 % über die mittlere Reife und etwa 43 % über das Abitur. 145 Klassenlehrer und -lehrerinnen beteiligten sich an schriftlichen Befragungen, ihre Antworten wurden in der Untersuchung von Luplow und Smidt allerdings nicht berücksichtigt, da sie nichts zum Thema der Untersuchung beitragen.

Für die hier vorliegende Untersuchung wurden Daten von 1.795 Schülerinnen und Schülern der Messzeitpunkte 1 und 3 sowie die Endjahresnoten der 4. Klasse genutzt. Hinsichtlich der elterlichen Partizipation verwendeten Luplow und Smidt die für die 4. Klasse vorliegenden Angaben.

Erhebungsinstrumente
Die theoretischen Konstrukte wurden wie folgt operationalisiert:

  • Unterstützten die Eltern die Kinder täglich oder mehrmals wöchentlich bei den Hausaufgaben oder bei Übungen, so wurde dies als 1 kodiert, fehlende oder geringe Unterstützung mit 0.
  • Von den Familien wurden der höchste Schulabschluss, der Migrationshintergrund und die Familiensprache(n) erfasst.
  • Bei den Schülerinnen und Schülern gehen die Endnote (Deutsch, Mathematik) des dritten Schuljahrs sowie Ergebnisse der Kompetenzmessung am Ende des dritten Jahres ein. Darüber hinaus wurde das schulische Selbstkonzept, auch schwierige Schulaufgaben bewältigen zu können, anhand von fünf Dimensionen auf einer vierstufigen Zustimmungsskala erfasst.
  • Mittel- und längerfristige Ziele, Einschätzungen der Schulerfahrung und elterliche Kontrollüberzeugungen wurden folgendermaßen festgestellt: Auf einer vierteiligen Zustimmungsskala wurde erfasst, wie stark sich die Eltern wünschen, dass ihr Kind Abitur macht. Zudem wurden auf jeweils fünfstelligen Zustimmungsskalen aus Elternsicht Einschätzungen zur kindlichen Anstrengungsbereitschaft in der Schule und zur Frage, ob das Kind bei Hausaufgaben unterstützungsbedürftig sei, festgehalten.
  • Hinsichtlich der Werte und Erfolgserwartungen wurde – wieder anhand einer fünfgliedrigen Skala – bei den Eltern abgefragt, ob es sie stören würde, wenn das Kind einen weniger angesehenen Beruf erreichen würde als die Eltern, ob hohe Schulbildung ein Wert an sich sei und ob hohe Schulbildung ein hohes Einkommen / einen angesehenen Beruf ermögliche und vor Arbeitslosigkeit schütze. In Bezug auf die Kostenparameter wurden finanzielle Belastung (durch Schulmaterialien), das bedarfsgewichtete Einkommen, die Erwerbstätigkeit der Mutter und die Zahl der (möglicherweise beim Lernen unterstützend tätigen) älteren und jüngeren Geschwister festgestellt. Zudem sollten die Eltern auf einer fünfteiligen Skala beantworten, für wie wahrscheinlich sie es hielten, dass das Kind das Abitur macht. 
  • Im Hinblick auf die Feststellung möglicher Wirkungen der elterlichen Unterstützung wurden vier Variablen festgestellt: Noten der Schülerinnen und Schüler, die Befunde der Kompetenztests (sprachlich und mathematisch) im zweiten Halbjahr der 4. Klasse, die Lehrerempfehlung für das Gymnasium und der Übertritt ins Gymnasium selbst.

Über die genannten Variablen hinaus gingen auch das Geschlecht der Schülerinnen und Schüler sowie die Stichprobenregion in die Untersuchung ein.

Auswertung
Zur Beantwortung der Forschungsfragen setzen Luplow und Smidt logistische Regressionsanalysen ein, zu Vergleichszwecken werden Average Marginal Effects (AME) berechnet. Sie verwenden drei Modelle, in die unterschiedliche Informationen einfließen: Modell 1 enthält Daten zum sozialen Hintergrund sowie individuelle Merkmale des Kindes, Modell 2 umfasst auch elterliche Kontrollüberzeugungen, mittel- und langfristige Ziele und die Interpretation der Schulerfahrung, ins dritte Modell werden zusätzlich Wert- und Erwartungsmodelle aufgenommen. Dabei werden die Berechnungen getrennt für elterliche Hausaufgabenunterstützung und zusätzliches Üben vorgenommen. 

Anschließend wurden die Regressionsanalysen separat für Eltern unterschiedlicher Bildungshintergründe durchgeführt.

Der Zusammenhang zwischen den elterlichen Unterstützungsvariablen und dem Leistungsstand gegen Ende des vierten Schuljahres erfolgte mit Hilfe eines Propensity-Score-Matching-Verfahrens, da dieses mit einer überschaubaren Menge statistischer Annahmen auskommt: Jedem Kind, welches elterliche Unterstützung erfährt, wird ein Kind gegenübergestellt, bei dem diese Unterstützung fehlt, bei ansonsten sehr ähnlichen Eigenschaften. Fehlende Werte wurden mithilfe eines Tools (Stata-Tool „ice“) imputiert. Für jeden der 1.795 Fälle, für die Elterninterviews zu den Messzeitpunkten 1 und 3 vorlagen, wurden logistische Regression und Propensity Score Matching durchgeführt, anschließend erfolgte eine Kombination nach „Rubins Regeln“ (Rubin 1987).

a. Hausaufgabenunterstützung
Modell 1: Der Bildungsstand der Eltern führt nicht zu einer häufigeren Hausaufgabenunterstützung. Bei der Familiensprache ist nur für Familien, in denen Deutsch und eine andere Sprache gleichermaßen im Alltag verwandt werden, ein negativer Zusammenhang erkennbar. Damit bestätigt sich Hypothese 1 höchstens für einen Teilaspekt. Haben Schülerinnen und Schüler einen schlechteren Notenschnitt als 2 oder ist der Kompetenztestwert in Mathematik vergleichsweise schlecht, dann werden sie stärker unterstützt. Schülerinnen und Schüler mit hohem Selbstkonzept erhalten seltener elterliche Hausaufgabenunterstützung.

Modell 2: Hierbei bleibt die Relevanz von Noten, Mathematikkompetenz und Selbstkonzept, wie in Hypothese 2 vorhergesagt, bestehen. Darüber hinaus wird deutlich, dass Eltern ihre Kinder dann bei Hausaufgaben unterstützen, wenn sie ihr eigenes Unterstützungspotenzial als hoch bewerten. Hohe Bildungswünsche sind hingegen bedeutungslos. Damit gilt Hypothese 3 nur eingeschränkt. Zudem unterstützen Eltern ihr Kind seltener, wenn sie diesem eine selbstständige/eigenverantwortliche Hausaufgabenbearbeitung zuschreiben. Das schulische Selbstkonzept, welches Eltern bei den Kindern feststellen, ist hingegen von keiner nennenswerten Bedeutung, Hypothese 4 kann somit nur teilweise belegt werden.

Modell 3: Als relevant für häusliche Unterstützung erweisen sich das Motiv des Statuserhalts (was Hypothese 5 bestätigt) und die Annahme, dass Schulbildung einen besonderen Wert darstellt. Da der Bildungsnutzen keinen signifikanten Einfluss auf das Ergebnis hat, ist Hypothese 6 nur eingeschränkt zutreffend. Häufigere häusliche Hilfen erfolgen bei einer stärker wahrgenommenen finanziellen Belastung, die Erwerbstätigkeit ist ohne nachweisbaren Einfluss, während Geschwister die Unterstützungsaktivität hemmen (was Hypothese 7 teilweise bestätigt). Die Erwartungskomponente weist keinen Zusammenhang mit der Hausaufgabenunterstützung auf, so dass sich Hypothese 8 nicht bestätigt. 

Im Gesamtmodell ist bezüglich des Bildungsabschlusses der Eltern kein Einfluss auf die Unterstützung zu belegen. In einem zweiten Schritt trennen Luplow und Smidt ihre drei Modelle im Hinblick auf den Faktor Schulabschluss der Eltern auf. Hierbei zeigen sich deutliche Unterschiede. So scheinen Noten bei Eltern mit Hauptschulabschluss – anders als bei Eltern mit mittlerem Schulabschluss – kaum von Bedeutung für das Handeln zu sein, hochgebildete Eltern greifen dann ein, wenn der Übertritt aufs Gymnasium infrage steht. Mangelnde Mathematikkompetenzen sind darüber hinaus ein Handlungsantrieb für Eltern mit niedrigem und hohem Bildungsabschluss. Für Eltern mit niedrigem und mittlerem Abschluss scheint überdies die Einschätzung der eigenen Unterstützungsfähigkeit eine Rolle bei der Hausaufgabenunterstützung zu spielen, bei Eltern mit Realschul- oder gymnasialem Abschluss spielt das Selbstkonzept eine Rolle. Allerdings ist für Eltern mit Abitur die eigene Einschätzung des Selbstkonzeptes des Kindes wichtig, während Eltern mit Realschulabschluss stärker das Selbstkonzept aus der Schülerperspektive zugrunde legen, um hinsichtlich der Hausaufgabenunterstützung Entscheidungen zu treffen. Während bei Eltern mit Hauptschulabschluss die Wert- und Erwartungskomponenten – mit Ausnahme der Zahl jüngerer Geschwister – keine Rolle zu spielen scheinen, sind bei Eltern mit Realschulabschluss die Einschätzung des Eigenwerts von Bildung, der Bildungsnutzen und die finanzielle Belastung handlungsleitend, bei Eltern mit Abitur hingegen das Motiv des Statuserhalts. Unabhängig von den Bildungsschichten gehen die selbstständige Bearbeitung der Hausaufgaben und das Vorhandensein von Geschwistern mit geringerer elterlicher Hausaufgabenhilfe einher.

b. Zusätzliches Üben
Im Gegensatz zu den Erwartungen in Hypothese 1 üben Eltern mit Abitur seltener mit ihren Kindern als Eltern mit Hauptschulabschluss und Unterschiede der Familiensprache erweisen sich als bedeutungslos. 

Geübt wird vor allem bei Kindern mit Noten, die schlechter als 2 sind, und bei Kindern, welche sprachliche Defizite aufweisen. Trotzdem wird Hypothese 2 nur teilweise bestätigt, da das schulische Selbstkonzept keine signifikanten Wirkungen hat.

Hypothese 3 erweist sich als tragfähig: Wenn das Abitur nicht der von den Eltern gewünschte Abschluss ist, dann üben sie deutlich seltener mit ihren Kindern. Allerdings ist das hierfür ausgewiesene Signifikanzmaß äußerst gering. Darüber hinaus gilt für die Eltern: Schätzen sie ihre Fähigkeit zur Unterstützung der Kinder als hoch ein, dann wird signifikant häufiger geübt. 

Hinsichtlich der Hypothese 4 ist der Eindruck zwiespältig: Einerseits üben Eltern umso seltener, je stärker ihr Kind bei ihnen den Eindruck hinterlässt, seine Hausaufgaben selbstständig bewältigen zu können; zum anderen ist keine Auswirkung des Selbstkonzeptes zu belegen.

Das Motiv des Statuserhalts wirkt sich so, wie in Hypothese 5 vorhergesagt, auf das zusätzliche Üben aus. 

Demgegenüber muss Hypothese 6 zurückgewiesen werden: Die positive elterliche Einstellung zu schulischer Bildung und der erwartete Nutzwert bleiben wirkungslos.

Bei Hypothese 7 zeigt sich kein Zusammenhang zwischen finanziellen Belastungen und dem zusätzlichen Üben, allerdings führt die Existenz von Geschwisterkindern hypothesenkonform zu einer Verringerung der Übungstätigkeit. 

Hypothese 8 erweist sich als realistisch: Halten Eltern das Erreichen des Abiturs für ein realistisches Ziel, dann üben sie weniger häufig.

Wie bereits im Fall der Hausaufgabenunterstützung geschehen, filtern Luplow und Smidt nach dem Bildungshintergrund der Eltern. Dabei zeigen sich bei Eltern mit niedrigem Bildungsabschluss die Noten als unbedeutendes Kriterium, wohingegen Defizite bei der Sprachkompetenz, eine als hoch wahrgenommene elterliche Unterstützungskompetenz und ein vermuteter hoher Bildungsnutzen zu häufigerem Üben führen, während die Existenz älterer Geschwister die Wahrscheinlichkeit, dass geübt wird, reduziert.

Eltern mit Realschulabschluss üben dann verstärkt mit den Kindern, wenn diese einen Notenschnitt von 3 in Deutsch und Mathematik aufweisen und die sprachlichen Kompetenzen schlecht sind. Hemmend auf Übungen wirkt sich aus, wenn ältere Geschwister vorhanden sind und der Eindruck besteht, dass das Kind seine Hausaufgaben gut bewältigen kann. 

Die Befunde für die Eltern mit Realschulabschluss gelten sämtlich auch für Eltern mit Abitur. Bei Letzteren verstärkt sich allerdings das Üben bei gewünschtem Statuserhalt sowie bei der Einschätzung, dass die finanziellen Belastungen durch den Schulbesuch hoch sind. Setzen diese Eltern für ihre Kinder nicht das Abitur als Ziel, dann üben sie seltener, auch die Zahl der Geschwisterkinder wirkt negativ auf die Häufigkeit, in der geübt wird.

c. Häusliches Lernen und Bildungserfolg
Führt man das Matching-Verfahren durch, so ist kein Unterschied zwischen Schülerinnen und Schülern, die bei Hausaufgaben unterstützt werden, und denen, die hierbei nicht unterstützt werden, erkennbar: weder bei der Durchschnittsnote in Deutsch und Mathematik, bei der Lehrerempfehlung für den Gymnasialbesuch noch bei dem tatsächlichen Übergang ins Gymnasium. Dies steht nicht in Einklang mit Hypothese 9. 

Bezüglich des zusätzlichen Übens bestehen tendenzielle Unterschiede: Schülerinnen und Schüler, mit denen die Eltern üben, weisen einen schlechteren Durchschnitt in Deutsch und Mathematik auf als diejenigen, welche nicht durch Übungen unterstützt werden (allerdings ist hierbei das Signifikanzmaß äußerst gering). Auch bei der Lehrerempfehlung für den Gymnasialbesuch ergibt sich ein (sehr schwacher) nachteiliger Zusammenhang für Kinder, mit denen geübt wird. Hinsichtlich des tatsächlichen Übertritts ins Gymnasium scheint es keine signifikanten Unterschiede zu geben. Auch dies wurde in Hypothese 9 nicht erwartet.

In der Diskussion erläutern Luplow und Smidt einen Teil ihrer Befunde und betten sie in den bisherigen Forschungsstand ein. Diese werden hier nur wiedergegeben, wenn sie gegenüber dem zuvor Gesagten wesentliche Ergänzungen beinhalten. 

Luplow und Smidt meinen, dass das geringere Ausmaß, in dem Eltern mit hoher Bildung mit ihren Kindern zusätzlich üben, darauf zurückzuführen sein könnte, dass diese Eltern mit dem Bildungssystem vertrauter seien und Zuversicht in eine positive schulische Entwicklung ihrer Kinder hätten. Auch sei der Unterschied der Bedeutung des Faktors Unterstützungsfähigkeit für die tatsächlich geleistete Unterstützung durch Eltern mit unterschiedlichem Bildungshintergrund darauf zurückzuführen, dass hochgebildete Eltern sich generell in der Lage fühlen, ihr Kind zu unterstützen. Je nach Bildungsstand der Eltern sei zudem für die Erbringung der Unterstützungsleistung der Faktor Selbstkonzept von völlig unterschiedlicher Bedeutung, vor allem im Hinblick auf die Unterscheidung Schüler- und Elternperspektive. Die große Bedeutung des Faktors Statuserhalt bei hochgebildeten Eltern begründen sie damit, dass diese durch eine höhere Position im Statusgefüge mehr zu verlieren hätten.

Im Hinblick darauf, dass sich positive Zusammenhänge zwischen häuslicher Unterstützung und Bildungserfolg nicht wie erwartet einstellen, bieten Luplow und Smidt zwei Alternativen an: Zum einen könnten mit Blick auf den heterogenen Forschungsstand zu diesem Punkt die ursprünglichen Annahmen revidiert werden. Zum anderen könnte das Ergebnis ein Anreiz sein, zukünftig die elterliche Unterstützung viel stärker nach Qualität und Quantität differenziert zu untersuchen. Dass häusliches Üben negativ mit Noten und Lehrerempfehlungen assoziiert ist, deuten sie so, dass dieses zusätzliche Üben von Lehrpersonen als negatives Signal aufgefasst werden könne, das zu einer „schlechteren innerschulischen Platzierung“ des Kindes führen könne. Grund hierfür sei möglicherweise, dass häusliches Üben von Lehrpersonen als Eingriff in ihren Kompetenzbereich gewertet und als Kritik an den von ihnen gegebenen Hausaufgaben verstanden werden könnte. (Allerdings klären Luplow und Smidt nicht darüber auf, ob und wie Lehrpersonen überhaupt Informationen darüber erhalten, ob ein Kind daheim unterstützt wird und ob es nicht auch Lehrpersonen gibt, die angesichts des geringen Zeitbudgets an Schulen häusliches Üben begrüßen würden.)

In einem abschließenden Kapitel benennen Luplow und Smidt Limitationen ihrer Arbeit. So seien die Informationen zu den Noten der 4. Klasse erst vier Jahre später erhoben worden, weshalb relativ viele Daten fehlten. Auch gäbe es keine Auskünfte über die Dauer der Unterstützung und es sei unsicher, ob die Befragten ihre Antwort nicht auch im Sinne sozialer Erwünschtheit verzerrt hätten. Weiterhin müssten zukünftige Untersuchungen verstärkt die Qualität und die Formen (autonomiefördernd, strukturgebend, kontrollierend, einmischend …) der Unterstützung einbeziehen. Auch seien Motive/Einstellungen etwa im Hinblick auf Zuständigkeits- und Rollenkonzepte sowie zusätzliche Informationen zum Elternhaus zu berücksichtigen. 

Implikationen ihrer Arbeit sehen Luplow und Smidt darin, Eltern verstärkt im Hinblick auf eine Verbesserung des häuslichen Lernens aufzuklären. Auch sollte die Kommunikation zwischen Eltern und Schule verbessert werden, damit die Eltern nicht auf die Hausaufgaben angewiesen sind, um die aktuellen Unterrichtsinhalte nachzuvollziehen. 

===
Angesichts der weiten Verbreitung von häuslicher Unterstützung behandelt die vorliegende Studie zweifellos ein wichtiges Thema an der Schnittstelle von öffentlich-institutionellem (Schule) und privatem (Familie) Erziehungshandeln. Die Frage, unter welchen Umständen Unterstützung daheim geleistet wird (oder eben nicht), ist damit von großer Bedeutung. Im Hinblick auf die Unterstützung werden Hypothesen entwickelt, die plausibel sind, auch wenn die ihnen zugrunde liegende, zum Teil heterogene Forschungslage hier zum Teil auch inhaltliche Alternativen zugelassen hätte. Diese Hypothesen werden auf sinnvolle Weise statistisch geprüft. Die sehr unterschiedlichen Ergebnisse – sie reichen von der Bestätigung über eine teilweise Bestätigung bis zur vollständigen Zurückweisung der Hypothesen – werden leider in der Regel lediglich präsentiert, aber kaum im Hinblick auf mögliche Ursachen diskutiert. Hier wäre weitere zukünftige Aufklärung der Zusammenhänge sinnvoll. Die oben genannten Vorschläge von Luplow und Smidt für zukünftige Forschungen könnten hierzu teilweise beitragen. 

Da die häusliche Unterstützung dazu dienen soll, schulischen Erfolg abzusichern, ist es sinnvoll, zugleich zu fragen, ob dieser dann auch eintritt. Hier zeigen sich beim Propensity Score Matching keinerlei Unterschiede zwischen Schülerinnen und Schülern mit und ohne elterliche Hausaufgabenhilfe beziehungsweise geringe Benachteiligungen von Schülerinnen und Schülern, mit denen Eltern häuslich üben. Gerade hierfür wäre es sinnvoll, wenn die langfristige Entwicklung der Schülerinnen und Schüler bekannt wäre. Dann könnte zum Beispiel folgende Überlegung geprüft werden: Greifen Eltern vor allem dann zum Mittel der häuslichen Unterstützung, wenn die schulischen Leistungen (und Noten) zunächst gut waren, dann aber vergleichsweise schlecht werden? Über einen solchen Prozess ist aber anhand der statischen Datenstruktur – sie betrachtet nur den Zeitpunkt zum Ende des dritten Schuljahrs, nicht die vorangegangene Entwicklung – nichts bekannt. Dabei könnte die Untersuchung dieses Aspektes gerade dann wichtig sein, wenn man die Wirksamkeit der häuslichen Unterstützungsmaßnahmen prüfen wollte. Die Aussagen von Luplow und Smidt sind zunächst ernüchternd: Positive Folgen der häuslichen Unterstützung sind nicht zu erkennen. Sollte allerdings die elterliche Unterstützung eine Reaktion auf einen laufenden Verschlechterungsprozess hinsichtlich der Noten oder der von den Eltern wahrgenommenen Leistungsfähigkeit des Kindes sein, wäre die Bewertung viel optimistischer: Der höchstens minimale Unterschied zwischen Schülerinnen und Schülern mit und ohne Unterstützung würde dann nahelegen, dass der Verschlechterungsprozess durch häusliche Unterstützung weitgehend gestoppt werden konnte. Von der Beantwortung dieser Fragestellung ergäben sich möglicherweise auch entscheidende Implikationen für den Themenkomplex „Nachhilfe“. 

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Diese Rezension wurde erstellt von:
Dr. Heinz Sander, Lehrer am Gymnasium der Stadt Kerpen – Europaschule und Privatdozent an der Universität zu Köln

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