Fragestellungen der Studie:

  • Welche Bedeutung hat Schülerfeedback in der Lehrkräfteausbildung?

Rezension zur Studie

Hascher, T., Baillod, J. & Wehr, S. (2004). Feedback von Schülerinnen und Schülern als Quelle des Lernprozesses im Praktikum von Lehramtsstudierenden. Zeitschrift für Pädagogik, 50(2), 223–243.FIS Bildung

Praxisphasen in Form von Praktika stellen einen elementaren Bestandteil des Lehramtsstudiums dar. Lehramtsstudierende können hierbei wertvolle Praxiserfahrungen sammeln und erhalten erste Rückmeldungen zu ihrem Handeln als Lehrperson, wodurch vielschichtige Lernprozesse angeregt werden können. Das Feedback von Schülerinnen und Schülern stellt dabei eine wichtige Quelle zur Verbesserung der Unterrichtsqualität dar – allerdings wird diese Form der Rückmeldung seltener genutzt.

Hascher, Baillod und Wehr untersuchen in ihrem Beitrag, wie häufig das Feedback von Schülerinnen und Schülern Lehramtsstudierenden im Praktikum als Quelle des Lernprozesses dient und wie die Schülerinnen und Schüler den Unterricht der Studierenden bewerten. Die Datengrundlage bilden drei verschiedene Quellen aus dem Projekt „Lernen im Praktikum“. Insgesamt wurden 150 Lehramtsstudierende im Praktikum der Sekundarstufe I befragt, was sie innerhalb des Praktikums zum Lernen angeregt hat. Zudem bewerteten 1.331 Schülerinnen und Schüler den Unterricht der Lehramtsstudierenden. Die Daten wurden mittels Fragebögen sowie Lerntagebüchern erhoben und somit quantitative und qualitative Verfahren kombiniert.

Die Ergebnisse zeigen, dass die Studierenden das Feedback von Schülerinnen und Schülern als dritthäufigste Quelle von Lernprozessen angeben. Zudem ist festzustellen, dass Schülerinnen und Schüler die Lehramtsstudierenden durchschnittlich positiv bewerten und eine hohe Unterrichtszufriedenheit angeben. Ebenfalls wurde das Verhalten der Studierenden hauptsächlich positiv beschrieben.

Somit wird deutlich, dass die Studierenden die Relevanz des Feedbacks der Schülerinnen und Schüler erkannt haben; dennoch steht das Feedback der Praktikumslehrkräfte im Vordergrund. Hascher et al. verdeutlichen, dass vermehrt auch das Feedback von Lernenden einbezogen werden sollte, da diese später als einzige Feedbackquelle dienen werden. Zudem sind die Schülerinnen und Schüler mit dem Unterricht der Praktikantinnen und Praktikanten zufrieden und beschreiben diesen als lernwirksam.

Nachfolgende Reflexionsfragen sind ein Angebot, die Befunde der rezensierten Studie auf das eigene Handeln als Lehrkraft oder Schulleitungsmitglied zu beziehen und zu überlegen, inwiefern sich Anregungen für die eigene Handlungspraxis ergeben. Die Befunde der rezensierten Studien sind nicht immer generalisierbar, was z. B. in einer begrenzten Stichprobe begründet ist. Aber auch in diesen Fällen können die Ergebnisse interessante Hinweise liefern, um über die eigene pädagogische und schulentwicklerische Praxis zu reflektieren.

Reflexionsfragen für Lehrkräfte:

  • Wie ist meine Einstellung zum Feedback von Schülerinnen und Schülern?
  • Wie kann ich Feedback von Schülerinnen und Schülern gezielt einsetzen, um meine Unterrichtsqualität zu erhöhen?
  • Welchen Einfluss kann das Feedback von Schülerinnen und Schülern für Lehramtsstudierende im Praktikum haben?
  • Wie kann ich Studierende motivieren und anleiten, Feedback von Schülerinnen und Schülern für die Qualitätssicherung des Unterrichts einzusetzen?

Reflexionsfragen für Schulleitungen:

  • Welche Rolle nimmt das Feedback von Schülerinnen und Schülern bei der Unterrichtsevaluation an der Schule ein?
  • Welche Standards und Strukturen des Feedbacks von Schülerinnen und Schülern werden an der Schule genutzt?
  • Welche Feedbackquellen nutzen Lehrpersonen zur Evaluation ihres Unterrichts?
  • Wie können Lehramtsstudierende dabei unterstützt werden, ihre Unterrichtsqualität mittels Feedback von Schülerinnen und Schülern zu optimieren?

Hascher et al. beschäftigen sich einleitend mit der Fragestellung, wie Lernprozesse von Lehramtsstudierenden in den Praxisphasen optimal ausgestaltet werden können. Hierzu beziehen sie sich auf die zentrale Funktion der Praktika, den Studierenden Rückmeldung über das eigene Handeln zu geben und somit Lernprozesse und Reflexionen zu ermöglichen. Da laut dem Autorenteam in bestehenden empirischen Studien häufig der Fokus auf Rückmeldungen durch Praktikumslehrkräfte gelegt wird, soll in der vorliegenden Studie das Feedback an die Studierenden durch Lernende fokussiert werden. In diesem Sinne wird im ersten Teil der Studie zunächst die allgemeine Bedeutung von Feedback für Lernprozesse in Praktika thematisiert sowie die Bedeutung des Feedbacks von Schülerinnen und Schülern. Im zweiten Teil des Beitrags werden empirische Ergebnisse aus dem Forschungsprojekt „Lernen im Praktikum“ dargelegt.

Die Bedeutung von Feedback für das Lernen im Praktikum
Nach Hascher et. al nehmen Rückmeldungen an Lehramtsstudierende zum unterrichtlichen Handeln während des Praktikums eine wichtige Funktion ein. Insbesondere das Feedback der Praktikumslehrkräfte, welche die Studierenden eng begleiten, sie unterstützen, beraten, loben und kritisieren, spiele eine große Rolle in der berufspraktischen Ausbildung von angehenden Lehrpersonen. Kritisch zu beachten sei hierbei, dass die Fehlinterpretation der Rückmeldungen als konkrete Handlungsanweisung die Entwicklung der Studierenden hemmen könne (Klencke & Krüger, 2000, zit. nach Hascher et al., 2004, S. 224 f.).

Die Bedeutung der Sicht von Schülerinnen und Schülern für die Qualität des Unterrichts
Das Autorenteam führt an, dass der Sicht von Schülerinnen und Schülern auf den Unterricht eine immer größere Bedeutung zugesprochen wird. Sie legen dar, dass Schülerinnen und Schüler die subjektive Wirkung von Unterricht beurteilen können, da sie durch vielfältige Erfahrungen in der Schule als Expertinnen und Experten für Unterricht gesehen werden können. Zudem beschreiben Hascher et al. die Mitverantwortung der Lernenden für die Unterrichtsqualität, da diese den Unterricht durch ihre Leistungen und Aktivitäten nachhaltig mitgestalten würden. Als weiteres Argument führen sie an, dass die Wirksamkeit von Unterricht erheblich von der subjektiven Wahrnehmung der Schülerinnen und Schüler abhänge. Die Beurteilung von Lehrperson und Unterricht sei demnach maßgeblich für den Einsatz im Unterricht und in der Schule allgemein. Dennoch werde die Validität und Reliabilität von Feedback der Schülerinnen und Schüler durchaus auch kritisch betrachtet. Allerdings spricht sich das Autorenteam dafür aus, die Rückmeldung von Lernenden als zuverlässige und gültige Quelle zur Einschätzung der Unterrichtsqualität zu nutzen.

Die Bedeutung des Feedbacks von Schülerinnen und Schülern für Studierende im Praktikum
Hascher et al. zeigen auf, dass die Hauptfeedbackquelle für Studierende im Praktikum die Rückmeldungen der entsprechenden Praktikumslehrkräfte darstellen. Sie kritisieren hierbei, dass das Feedback durch Kolleginnen und Kollegen im Alltag von Lehrkräften nur marginal gegeben sei und dies dennoch die auserwählte Feedbackform für Studierende in Praxisphasen darstelle. Zudem sei das Feedback der Praktikumslehrpersonen subjektiv sowie situativ und beziehe – wenn überhaupt – nur willkürlich und spontan die Perspektive von Schülerinnen und Schülern mit ein. Besonders aber das Feedback von Schülerinnen und Schülern stelle im Berufsalltag von Lehrpersonen die wichtigste Quelle von Rückmeldungen dar und in der Regel auch die einzige Fremdeinsicht in ihren Unterricht. Daher fordert das Autorenteam, dass auch im Praktikum das Feedback durch Lernende mehr berücksichtigt werden sollte.

Fragestellungen
Vor diesem Hintergrund beschäftigt sich das Autorenteam in der betrachteten Studie mit den Auswirkungen von Feedback durch Schülerinnen und Schüler auf den Lernprozess von Lehramtsstudierenden im Praktikum. Sie formulieren zwei empirische Fragestellungen (Hascher et al., 2004, S. 228):

  1. Wie häufig dient das Feedback von Schülerinnen und Schülern den Praktikantinnen und Praktikanten als Lernquelle?
  2. Wie beurteilen Schülerinnen und Schüler die Praktikantinnen und Praktikanten? Gibt es systematische Unterschiede in dieser Beurteilung (bezüglich Beurteilungskriterien, Studierenden, Klassen)? Wo setzen Schülerinnen und Schüler Schwerpunkte?

Datengrundlage und Stichproben
Das Autorenteam stützt seine Forschung auf das Projekt „Lernen im Praktikum“ (Hascher & Moser, 1999, 2001; Moser & Hascher, 2000, zit. nach Hascher et al., 2004, S. 228) und verwendet hieraus drei verschiedene Datenquellen. Die Grundgesamtheit der teilnehmenden Studierenden im Praktikum beträgt N = 150 (83 Studentinnen und 67 Studenten). Die Studierenden waren alle im Bereich der Sekundarstufe I eingesetzt (Klassenstufe 7–9). Die Grundgesamtheit der teilnehmenden Lernenden besteht aus N = 1.331 Schülerinnen und Schülern aus den Praktikumsschulen.

Die Ergebnisse der Studie beziehen sich auf drei verschiedene, sich zum Teil überlappende Stichproben. Stichprobe 1 stellt die Gesamtstichprobe von N = 150 Studierenden dar. Von diesen 150 Studierenden absolvierten 71 ein Einführungspraktikum nach dem ersten Semester, 41 ein Zwischenpraktikum nach dem vierten Semester und 38 den ersten Teil des Schlusspraktikums im siebten Semester. Alle Praktika umfassten hierbei einen Umfang von ungefähr drei Wochen.

Die Stichprobe 1a bildet eine Teilstichprobe von Stichprobe 1. Sie besteht aus 46 Studierenden, von denen sich 9 im Einführungspraktikum, 29 im Zwischen- und 8 im Schlusspraktikum befanden. Stichprobe 1b stellt ebenfalls eine Teilstichprobe der Stichprobe 1 dar und setzt sich aus 54 Studierenden zusammen. Hiervon absolvierten 26 Studierende ein Einführungs-, 14 ein Zwischen- und 14 ein Schlusspraktikum.

Instrumente
Zur Bearbeitung der Fragestellung, wie häufig das Feedback von Schülerinnen und Schülern den Lehramtsstudierenden als Lernquelle dient, wurde ein schriftlicher Fragebogen eingesetzt. Anhand dessen sollten die 150 Studierenden nach den Praktika ihre Lernquellen beurteilen. Zur Auswahl standen acht verschiedene Lernquellen: die Praktikumslehrkräfte, eigenes Forschen/Experimentieren, Rückmeldungen von Lernenden, eigene Unzufriedenheit/Frustration, Kenntnisse aus der Grundausbildung, Austausch mit Kommilitoninnen und Kommilitonen, Rückmeldungen durch Fachbetreuende oder anderes. 

Die Studierenden beantworteten die Frage „Was hat Sie in diesem Praktikum zum Lernen angeregt?“ auf einer fünfstufigen Skala (1 = sehr selten, 5 = sehr oft). Diese quantitative Forschungsmethode wurde durch ein qualitatives Verfahren, das Lerntagebuch, ergänzt. Die Lerntagebücher wurden von 46 Studierenden freiwillig geführt und als Dokumentationsort für Schlüsselsituationen des Lernens im Praktikum genutzt. Die Studierenden sollten in dem Tagebuch täglich eine solche Lernsituation dokumentieren und anschließend angeben, auf welche der acht Lernquellen des Fragebogens der jeweilige Lernprozess zurückgeführt werden konnte. Hierbei waren Mehrfachantworten möglich.

Zur Beantwortung der zweiten Forschungsfrage, die sich auf das Feedback der Schülerinnen und Schüler an die Studierenden bezog, wurde ebenfalls ein schriftlicher Fragebogen verwendet. Die Erhebung führten 54 Studierende am Ende ihres Praktikums eigenständig durch. Der Fragebogen war an 1.331 Schülerinnen und Schüler adressiert und bestand aus fünf geschlossenen und drei offenen Fragen. Gegenstand der fünf geschlossenen Fragen waren die allgemeine Unterrichtszufriedenheit, die Wirksamkeit des Unterrichts, 18 Aspekte der Unterrichtszufriedenheit wie beispielsweise die Unterrichtsgestaltung, 12 Verhaltensaspekte der Studierenden wie beispielsweise Geduld oder Sicherheit sowie sieben Merkmale des Unterrichts wie z. B. der Schwierigkeitsgrad oder die Organisation. Die offenen Fragen ermöglichten den Lernenden konkret zu äußern, was ihnen am Unterricht gefallen oder missfallen hat und worin sich die Studierenden seit Beginn des Praktikums verbessert hatten. Laut Hascher et al. bezieht sich das beschriebene Vorgehen auf ein Instrument zum Thema „Unterrichtsklima“ des Sekundarlehramts der Universität Freiburg.

Auswertungsmethoden
Das Autorenteam nutzte zur Datenauswertung verschiedene Auswertungsmethoden. Die erste Fragestellung wurde durch Berechnung der absoluten Häufigkeiten beantwortet. Die Auswertung des quantitativen Fragebogens der Studierenden erfolgte durch die Ermittlung der Häufigkeiten der genannten Lernquellen und Bildung der Mittelwerte (M) der fünfstufigen Ratingskalen. Die Auswertung der Lerntagebücher erfolgte ebenfalls durch die Analyse der Häufigkeiten der Angaben der genutzten Lernquellen. Es wurde untersucht, ob das Feedback der Schülerinnen und Schüler als alleinige Lernquelle oder in Kombination mit anderen Quellen identifiziert werden konnte. Hierbei ist zu erwähnen, dass für die Stichprobe der Studierenden, welche das Lerntagebuch ausfüllten, ein t-Test für unabhängige Stichproben durchgeführt wurde. Somit wurde untersucht, ob sich die Teilstichprobe von den Studierenden der Gesamtstichprobe hinsichtlich relevanter Merkmale wie Alter, Studienmotivation oder Selbsteinschätzung der Berufseignung unterscheidet.

Für die Bearbeitung der zweiten Fragestellung wurde für die verwendete Stichprobe 1b ebenfalls ein t-Test durchgeführt. Für den Fragebogen, der für die zweite Fragestellung eingesetzt wurde, wurden die Mittelwerte der fünfstufigen Ratingskalen berechnet sowie die Standardabweichungen. Es wurden zudem Varianzanalysen durchgeführt, um zu prüfen, ob sich Unterschiede der verschiedenen Praktikumsformen identifizieren lassen (p < .001).

Zu den Determinanten der allgemeinen Unterrichtszufriedenheit der Lernenden führte das Autorenteam zwei multiple Regressionsanalysen durch. Die Analysen wurden mit den Zufriedenheitsaspekten und den Unterrichtsmerkmalen auf die allgemeine Unterrichtszufriedenheit durchgeführt. Ebenso wurden zwei multiple Regressionsanalysen durchgeführt mit den Zufriedenheitsaspekten und den Unterrichtsmerkmalen auf die subjektiv wahrgenommenen Lernfortschritte.

Darüber hinaus bildeten Hascher et al. induktiv Kategorien aus dem Fragebogen für die Schülerinnen und Schüler und analysierten somit die Bereiche, in denen die Studierenden sich verbessert hatten.

Die Ergebnisse in Bezug auf die Nutzung des Feedbacks von Schülerinnen und Schülern als Lernquelle lassen sich wie folgt zusammenfassen: Die Auswertung der Fragebögen ergibt, dass die Studierenden von den acht potenziellen Lernquellen das Feedback durch Lernende als dritthäufigste Quelle von Lernprozessen angeben. Der Mittelwert liegt hierbei bei 3.8 (Antwortskala 1 = sehr selten, 5 = sehr oft). Lediglich die Rückmeldungen durch Praktikumslehrkräfte und Erfahrungen aus eigenem Forschen bzw. Experimenten werden häufiger angegeben. Auch die Auswertung der Lerntagebücher bestätigt dieses Ergebnis: Fast jede(r) der 46 Studierenden gibt das Feedback von Schülerinnen und Schülern als alleinige oder beteiligte Quelle von Lernsituationen an. In Bezug auf die Häufigkeit der genannten Quellen lässt sich allerdings feststellen, dass das Feedback durch Lernende nur selten alleiniger Anlass von Lernsituationen war (10 % im Eignungs-, 18 % im Zwischen-, 11 % im Schlusspraktikum). In Kombination mit anderen Lernquellen beträgt der Prozentsatz im Einführungs- und Zwischenpraktikum allerdings fast 50 % und im Schlusspraktikum ca. 33 %.

Die Ergebnisse der zweiten Forschungsfrage, welche auf die Beurteilung der Studierenden durch die Lernenden abzielte, lauten wie folgt: Die allgemeine Unterrichtszufriedenheit wird von 80 % der Schülerinnen und Schüler als „eher positiv“ oder „sehr positiv“ eingestuft. Diese hohe Zufriedenheit betrifft alle drei Praktikumstypen. Die Wirksamkeit des Unterrichts wird ebenfalls positiv bewertet. So geben 74 % der Lernenden an, „ziemlich viel“ oder „sehr viel“ gelernt zu haben. Hierbei wird der Lernzuwachs im Eignungspraktikum tendenziell geringer eingeschätzt als im Zwischenpraktikum.

Ebenfalls bei den Zufriedenheitsaspekten des Unterrichts fallen die Ergebnisse positiv aus, wenngleich Unterschiede zwischen den einzelnen Aspekten zu verzeichnen sind. Am positivsten fällt somit der Mittelwert für die Unterrichtsorganisation mit 4.4 aus und am negativsten der Wert für die im Unterricht aufgestellten Regeln mit 3.7. Es wird deutlich, dass sich die ermittelten Werte je nach Praktikumsart unterscheiden und hierbei das Einführungspraktikum durchgehend die niedrigsten Werte erzielt.

Die positiven Werte lassen sich auch bei den Verhaltensaspekten der Studierenden verzeichnen. Besonders gut werden die Hilfsbereitschaft (M = 4.6) und die Pünktlichkeit eingeschätzt (M = 4.6), die Sicherheit erhält den niedrigsten Wert (M = 3.8). An dieser Stelle werden ebenso Unterschiede zwischen den Studierenden deutlich, wenngleich sich kein einheitliches Muster erkennen lässt.

Die Unterrichtsmerkmale der Studierenden werden mehrheitlich positiv eingeschätzt, wobei der Unterricht insbesondere als organisiert (M = 4.4) sowie klar und verständlich (M = 4.1) beurteilt wird. Auch hier lassen sich markante Differenzen zwischen den einzelnen Studierenden feststellen wie beispielsweise eine schlechtere Unterrichtsorganisation bei Studierenden im Einführungspraktikum im Vergleich zu den Studierenden der anderen Praktikumsformen.

Die Regressionsanalysen bzgl. der Determinanten der Unterrichtszufriedenheit liefern folgende Ergebnisse: 10 der 18 aufgeführten Unterrichtsgestaltungsmöglichkeiten haben einen signifikanten Einfluss auf die Zufriedenheitsaspekte der Lernenden. Hierunter fällt z. B. die Art, Aufgaben zu erklären (R² = .18) oder das Achten auf das Wohlbefinden der Klasse (R² = .17). Zudem zeigen sechs der sieben angegebenen Unterrichtsmerkmale eine signifikante Auswirkung auf die Erhöhung der Unterrichtszufriedenheit. Besonders großen Einfluss haben dabei die Aspekte „interessant“ und „motivierend“, lediglich das Merkmal „Einfachheit – Kompliziertheit“ erhöht die Zufriedenheit nicht signifikant. Demnach trägt ein einfach gestalteter Unterricht nicht zu einer höheren Zufriedenheit bei.

Die Ergebnisse der Regressionsanalysen bzgl. der Determinanten der Wirksamkeit des Unterrichts lauten wie folgt: 8 der 18 angegebenen Unterrichtsgestaltungsmöglichkeiten zeigen einen signifikanten Einfluss auf das Lernen der Schülerinnen und Schüler. Die Effektstärken der einzelnen Variablen sind hierbei nah beieinander, wie z. B. Art der Erklärung der Aufgaben (ß = 0.14) und Präsentation des Stoffs (ß = 0.13). Ebenfalls zeigt sich, dass vier der sieben Unterrichtsmerkmale einen signifikanten Einfluss auf die Erhöhung des Lerneffekts haben. Hierbei lassen sich für die Merkmale „interessant“ (ß = 0.36) und „motivierend“ (ß = 0.20) die höchsten Werte feststellen. Zudem stellt sich heraus, dass ein einfach konzipierter Unterricht den Lernerfolg der Schülerinnen und Schüler eher verhindert als unterstützt.

Die Verbesserungen der Studierenden aus Sicht der Lernenden weisen auf, dass die Studierenden vor allem sicherer und gelassener geworden sind. Dies trifft auf alle Praktikumsformen zu, den niedrigsten Wert erzielen allerdings die Studierenden im Schlusspraktikum.

Hintergrund
Hascher et al. liefern eine angemessene Einführung des Themas der Studie und legen die wissenschaftlichen Hintergründe ihres Forschungsinteresses dar. Sie verdeutlichen die Relevanz des Feedbacks für Studierende im Praktikum und erläutern die wichtige Funktion der Lernenden hierbei. Das Autorenteam bedauert die marginalen wissenschaftlichen Untersuchungen und Erkenntnisse zum Feedback von Schülerinnen und Schülern. Da die Studie aus dem Jahr 2004 stammt, ist diese Einschätzung heutzutage nicht mehr aktuell. Zum heutigen Zeitpunkt liegt eine Vielzahl von Studien vor, welche sich mit dem Thema „Feedback“ beschäftigen (Zierer, Wisniewski, Schatz, Weckend & Helmke, 2019, S. 28 ff.). Ebenso wurde beispielsweise „SEfU“ entwickelt, ein Instrument zur Selbstevaluation des eigenen Unterrichts, das es Lehrkräften unter anderem durch vorgefertigte Schülerinnen- und Schülerfragebögen erleichtert, das Feedback der Lernenden einzuholen (Schüler/-innen als Expert/-innen für Unterricht, 2006–2021).

Bei der Darlegung des Hintergrunds durch das Autorenteam fällt zudem auf, dass die Begriffe „Feedback“, „Reflexion“ und „Evaluation“ teilweise synonym und ohne begriffliche Abgrenzung voneinander verwendet werden, was zu Irritationen führt.

Design
In der Studie werden durch die Fragebögen für Studierende und Lernende in Kombination mit den Lerntagebüchern der Studierenden sowohl quantitative als auch qualitative Forschungszugänge genutzt, wodurch sich die jeweiligen Forschungserkenntnisse sinnvoll ergänzen. Auch die Kombination aus offenen und geschlossenen Fragen innerhalb der Schülerinnen- und Schülerfragebögen ermöglicht vielschichtige Ergebnisse und ist daher positiv zu bewerten. 

Insgesamt ist durch das Forschungsdesign eine Mehrperspektivität gewährleistet, da sowohl Studierende als auch Schülerinnen und Schüler als Adressatenkreis ausgewählt wurden. Kritisch anzumerken ist dabei, dass die Schülerinnen- und Schülerfragebögen von den Studierenden selbst initiiert wurden und dies somit zu einer Verzerrung der Ergebnisse führen kann. Auch die Tatsache, dass die Lerntagebücher eine sehr subjektive Einschätzung der Lernquellen darstellen, ist zu beachten. Dies führen Hascher et al. allerdings selbst als Schwächen an und verweisen auf den Effekt der sozialen Erwünschtheit sowie auf Sympathie-Effekte.

Durch die großen Stichproben von 150 Studierenden und 1.331 Lernenden ist die Repräsentativität der Daten als eher hoch einzuschätzen. Die Repräsentativität wird allerdings dadurch eingeschränkt, dass sich die Stichprobe lediglich auf Studierende im Sekundarstufenbereich I bezieht. Somit ist es fraglich, ob die Ergebnisse auch auf andere Jahrgänge bezogen werden können. Kritisch anzumerken ist ebenfalls, dass der Anteil der Studierenden in den verschiedenen Praktikumsformen mit 71 Studierenden im Einführungs-, 41 im Zwischen- und 38 Studierenden im Schlusspraktikum ungleichmäßig verteilt ist. Ebenso fragwürdig ist, ob eine kurze Praktikumsdauer von ungefähr drei Wochen ausreichend für fundierte Forschungserkenntnisse sein kann. An dieser Stelle wäre eine Forschung über einen längeren Zeitraum, wie es beispielsweise im Praxissemester der Fall ist, interessant.

Positiv zu beurteilen ist darüber hinaus der durchgeführte t-Test für die Stichproben 1a und 1b, um zu prüfen, ob diese sich von den Studierenden der Gesamtstichprobe hinsichtlich relevanter Merkmale wie Alter, Studienmotivation oder Einschätzung der Berufseignung unterscheiden.

Ergebnisse und Diskussion
Hascher et al. versuchen, mit ihrer ersten Forschungsfrage die Häufigkeit der Nutzung von Feedback durch Schülerinnen und Schüler zu ermitteln. Ihnen gelingt es, das Feedback durch die Lernenden als dritthäufigste Lernquelle zu identifizieren. Dennoch wird deutlich, dass die Rückmeldung der Praktikumslehrkräfte am häufigsten genannt wird. Hascher et al. appellieren, dass die Perspektive der Lernenden bei der Unterrichtsevaluation neben den wertvollen Rückmeldungen der Lehrkräfte zukünftig mehr mit einbezogen werden sollte. Leider werden an dieser Stelle von den zuvor beschriebenen acht Lernquellen nur sieben mit den jeweiligen Ergebnissen dargestellt. In der anschließenden Diskussion der Studie, welche als Stärke bezeichnet werden kann, liefern Hascher et al. verschiedene Ideen, um das Schülerinnen- und Schülerfeedback besser zu etablieren. Sie führen unter anderem an, dass die Praktikumslehrkräfte die Lehramtsstudierenden immer wieder auf die Sicht der Lernenden aufmerksam machen sollten und sie mithilfe von Materialien wie Feedbackbögen für Schülerinnen und Schüler motivieren könnten.

Auch die zweite Forschungsfrage, die auf die Beurteilung der Lehramtsstudierenden durch die Schülerinnen und Schüler abzielt, können Hascher et al. ausführlich beantworten. Eine große Stärke besteht hierbei darin, dass sie permanent eventuelle Unterschiede zwischen den Praktikumsarten im Blick behalten und diese differenziert beschreiben. Zudem ist die tabellarische Darstellung der Ergebnisse sehr hilfreich, um die große Datenmenge zu überblicken.

Irritierenderweise führt das Autorenteam in seiner Diskussion an, dass die Perspektive der Praktikumslehrpersonen ebenso wie die der Schülerinnen und Schüler mittels Fragebogen im Forschungsprojekt „Lernen im Praktikum“ erhoben wurde. Diese Information wird an keiner anderen Stelle der Studie erwähnt und es werden auch keine Ergebnisse diesbezüglich veröffentlicht.

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Diese Rezension wurde erstellt von:
Melissa Meyer, Studentin im Studiengang Master of Education (Gesundheitswissenschaft/Pflege & Pädagogik) für das Lehramt an Berufskolleg an der WWU Münster und FH Münster.

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